2.4
Evolutionspsychologische Emotionstheorien
Können
wir Emotionen besser verstehen, wenn wir sie als angeboren ansehen?
Schließlich weisen Emotionen doch sowohl innerhalb unserer
Kultur als auch innerhalb verschiedener Kulturen eine beeindruckende
Konstanz auf. Menschen, die keine Emotionen haben, können wir
uns kaum vorstellen.
Die
Idee, daß Emotionen angeboren sind, wird vor allem dann faszinierend,
wenn man plausible Gründe findet, warum es eine bestimmte Emotion
gibt. Nach Darwins Evolutionstheorie werden ja im Laufe der Generationen
diejenigen Merkmale selektiert, die für das Lebewesen eine
wichtige "Funktion" erfüllen, also seine Überlebenschancen
vergrößern. Warum sollten nicht auch Emotionen solche
Merkmale sein?
Zunächst
stellt sich das Problem, daß Emotionen nicht konstante Eigenschaften
eines Lebewesens sind, sondern situativ schwankende Zustände.
Von "Vererbung von Emotionen" kann daher nicht die Rede
sein. Wohl aber ist es möglich, die Neigung, eine bestimmte
Emotion zu zeigen, also die emotionale Disposition (siehe
Kap.1.1), als ein solches
vererbbares Merkmal anzusehen.
Solchen
emotionalen Dispositionen kann man nun bestimmte Funktionen zuschreiben,
wie wir es bereits in Kapitel 1.2
getan haben. Diese Hypothesen werden dann selbstverständlich
empirisch getestet.
Dies ist, grob zusammengefaßt, das, was evolutionspsychologische
Emotionsforscher machen.
Die
Besonderheit dieser Ansätze, die manchmal auch "evolutionstheoretisch"
oder "evolutionär" genannt werden, ist also, daß
sie die evolutionäre Erklärungsebene miteinbeziehen: Sie
beschreiben nicht nur physiologische und psychologische Vorgänge
(proximate Erklärungen) und deren ontogenetische Ensteheung
(distale Erklärungen), sondern vor allem, warum Emotionen
in der Evolution entstehen konnten, welche biologische Funktion
sie also hatten bzw. haben (ultimate Erklärungen).
Evolutionspsychologische
Emotionstheorien machen häufig auch Angaben darüber, welche
Funktion bestimmte Gesichtsausdrücke haben, die mit
Emotionen einhergehen. Auf diese Frage gehen wir im nächsten
Kapitel ein, welches sich gesondert dem Thema "Gesichtsausdruck"
widmet.
Überblick
Im
folgenden werden wir zunächst die Theorie
von Robert Plutchik vorstellen. Sie ist ein Musterbeispiel für
eine Theorie, die proximate und ultimate Erklärungen zu verbinden
versucht. Charakteristisch ist außerdem die Annahme von Basis-Emotionen,
die wir bereits in Kapitel 1.3
besprochen haben.
Im
Anschluß daran stellen wir die heutige sogenannte "Evolutionäre
Psychologie" vor. Während frühere Theoretiker
wie Plutchik noch meinten, Emotionen lösen allgemeine, unspezifische
Anpassungsprobleme, dienen also quasi als Allzweckwaffe gegen die
Gefahren des Lebens, glauben die Vertreter dieses neuen Ansatzes,
daß Emotionen ganz spezifische Anpassungsprobleme lösen,
quasi wie ein Schlüssel in ein bestimmtes Schloß passen.
Als Beispiel für diese Sichtweisen werden wir auf die mittlerweile
auch unter Nichtpsychologen recht verbreiteten Befunde zum Thema
Eifersucht eingehen.
Diese
recht spektakulären Studien bilden dann auch die Grundlage
für das Resümee, das wir am
Ende des Kapitels ziehen werden.
Beginnen
wir aber mit der Theorie von Plutchik...
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