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Laudatio zum Franz E. Weinert-Gedächtnispreis 2005

« Zurück zum Jahrgang Diplom 2005 Über den Franz E. Weinert-Gedächtnispreis
Von Annette Kämmerer Lesezeit: 4 Minuten

Liebe Diplomandinnen und Diplomanden, sehr geehrte Damen und Herren,

Ich freue mich, im Namen des Auswahlkomitees, dem Frau Professor Pauen, Herr Professor Funke und ich angehörten, bereits zum vierten Mal den „Franz-Emanuel-Weinert-Gedächtnispreis“ für herausragende Diplomarbeiten, die hier an unserem Psychologischen Institut entstanden sind, verleihen zu dürfen.

Warum „Franz-Emanuel-Weinert-Preis“? Professor Dr. Franz E. Weinert hatte von 1968-1981 den Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie hier in HD inne; er war danach Gründungsmitglied und von 1981 bis 1998 Direktor des MPI für psychologische Forschung in München. Zahlreiche Ehrungen und Mitgliedschaften wurden ihm zuteil: So war er u.a. Präsident der DGPs, Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft. Er galt als herausragender Forscher und akademischer Lehrer auf den Gebieten der Pädagogischen Psychologie und der Entwicklungspsychologie, war Herausgeber international renommierter psychologischer Fachzeitschriften, Buchreihen und Sammelwerken. Anfang März 2001 ist Professor Weinert viel zu früh verstorben. Dieser Preis ist seinem Andenken gewidmet. Mit der Verleihung dieses Diplomarbeitspreises möchten wir die wissenschaftliche Neugierde, den Fleiß und das kreative Denken von Studierenden würdigen.

Alle, die Sie heute hier sind, haben ein Studium beendet, von dem man mit Fug und Recht sagen kann, dass es ein recht schweres ist. Von Ihnen wurden in den vergangenen Jahren sehr unterschiedliche Fähigkeiten verlangt, von statistischen Kompetenzen bis hin zu einfühlsamem Verstehen: Sie mussten lernen, dass sich das Erleben und Verhalten von Menschen - wenn Sie so wollen, die Seele - dem schnellen Zugriff entzieht und so komplex und kompliziert ist, wie Sie es sich vielleicht vor Beginn des Studiums gar nicht hätten vorstellen können. Die Schwierigkeit und das Anspruchsvolle unseres Faches stehen in deutlichem Gegensatz zu dem öffentlichen Ansehen der Psychologie: Jeder meint ja, über Seelisches etwas sagen zu können, wir werden ständig bombardiert mit trivialpsychologischen Informationen, die unserem Fach im Grunde schaden, nutzen tun sie jedenfalls gar nichts. Um so löblicher ist es, dass sich nicht zuletzt in den von Ihnen allen angefertigten Diplomarbeiten die Ernsthaftigkeit und Sorgfalt widerspiegeln, mit denen psychologische Erkenntnisse gewonnen und interpretiert werden.

Für den Weinert-Preis sind in diesem Jahr neun Arbeiten eingereicht worden. Sie umfassen ein breites Spektrum an psychologischen Fragestellungen und sind insofern ein deutliches Beispiel für die lebendige Vielfalt unseres Faches.

Wir haben in den vergangenen Jahren immer zwei Arbeiten gewürdigt, eine aus dem Bereich der Grundlagenforschung du eine aus dem Bereich der Anwendungsforschung. In diesem Jahr wird es nur einen Preis geben, der sich auf den Bereich der Grundlagenforschung bezieht. Unter den - wie gesagt - neun vorgeschlagenen, zum großen Teil exzellenten Arbeiten ist *eine* Arbeit der Auswahlkommission besonders positiv aufgefallen: die von Susanna Jeschonnek verfasste Diplomarbeit mit dem Titel "Veränderungen der Herzrate während einer Objektexploration - ein Indikator für frühkindliche Kategorisierungsleistungen."

 

Wie der Titel deutlich macht, stammt diese Arbeit aus der Entwicklungspsychologie, speziell der Säuglingsforschung. Die von beiden Gutachterinnen dieser Arbeit - Prof. Sabina Pauen und Dr. Birgit Elsner - jeweils vergebene Bestnote 1,0 bewertet eine sehr eigenständige Leistung bei der Entwicklung einer neuartigen Methode der Säuglingsforschung. Wurde in der Vergangenheit vor allem das Examinationsverhalten von Säuglingen bei der Betrachtung belebter oder unbelebter Objekte in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestellt, rückt Frau Jeschonnek erstmals die über mehrere Durchgänge aggregierte Herzrate der Säuglinge ins Zentrum der Forschung. Examinationen, so konnte sie zeigen, gehen mit *gesenkter* Herzfrequenz einher, während vertraute Objekte normale Herzraten mit sich bringen.

Die Zusammenführung zweier unterschiedlicher Forschungstraditionen - Kategorisierungsstudien mit Säuglingen einerseits, Herzratenmessung der Aufmerksamkeit andererseits - stellt eine methodische Innovation dar, die der Säuglingsforschung durch die Bereitstellung physiologischer Maße neue Impulse gibt und damit eine neue Ära einleitet. Der klare Aufbau der Diplomarbeit, die verständliche Darstellung des durchgeführten Versuchs mit 20 elf Monate alten Säuglingen und die gute Präsentation der Befunde bestätigen unseren Eindruck, mit dieser Arbeit den Franz-Emanuel-Weinert 2005 würdig zu vergeben. Wir sind in unserer Auswahl auch noch dadurch bestärkt worden, dass diese Diplomarbeit bereits zur Publikation in ein einer der renommiertesten amerikanischen Zeitschriften aus dem Bereich der Entwicklungspsychologie, der „Developmental Science“ angenommen wurde: Herzlichen Glückwunsch!

Elsner, B., Pauen, S., & Jeschonek, S. (in press). Physiological and behavioral parameters of infants’ categorization: Heart rate and duration of examining across trials. Developmental Science.