Ist
physiologische Erregung notwendig?
Ist
physiologische Erregung notwendig für die Emotionsentstehung?
Valins Versuche legten bereits nahe, daß dies nicht der Fall
ist. Doch neuere Ergebnisse deuten auch an, daß noch nicht
einmal - wie bei Valins - der Glaube, erregt zu sein, notwendig
ist.
Schon
Cannons Kritikpunkte 1 und 5 legen letzteres nahe: Die Trennung
der Eingeweide vom Zentralnervensystem sollte keine Emotionlosigkeit
zur Folge haben, anders als Schachters Theorie es vorsieht.
Weil
die Frage mit Tierversuchen nicht geklärt werden konnte, untersuchte
Hohmann (1966) dies bei querschnittsgelähmten Menschen: Auf
Befragung hin gaben diese an, daß sich ihr emotionales Erleben
seit der Rückenmarksdurchtrennung stark abgeschwächt hätte
(was Schachters Theorie stützt), daß jedoch ihre "sentimentalen"
Gefühle zugenommen hätten. Die Befundlage ist hier also
widersprüchlich.
Eine
solche Studie muß natürlich zusätzlich mit der Schwierigkeit
leben, daß nicht sicher ist, ob es nicht die neue bedrückende
Lebenssituation der Betroffenen ist, die zu einer Reduktion von
Emotionen führt.
Zudem
sprechen spätere Untersuchungen eher dafür, daß
Querschnittsgelähmte ebenso Emotionen haben wie wir (wenn man
es denn überhaupt valide feststellen kann - s.u.).
Auch wenn bei nicht-behinderten Menschen physiologische Erregbarkeit
durch Beta-Blocker ausgeschaltet wird, ist - so zeigte sich - Emotion
weiterhin möglich.
Dies
alles deutet also eher darauf hin, daß physiologische Erregung
nicht notwendig ist für die Entstehung von Emotionen.
Theoretisch interessant ist hier aber die Frage, wie es sich nachweisen
ließe, daß eine Person keine Emotionen erlebt. Mir fällt
keine Möglichkeit ein. Wir stehen hier wieder an den Grenzen,
die uns die Einbettung von Emotionen in Kultur und Sprache setzt
und die wir in Kapitel 1.1 kennengelernt
haben: Wie soll eine Person, wenn wir sie fragen, wissen, ob das,
was sie erlebt, Emotionen sind oder nicht?
Was
bleibt also von den kognitiv-physiologischen Theorien? Das "kognitiv".
Die Auffassung, daß Emotionen primär auf Kognitionen,
Bewertungen, Einschätzungen (oder wie man es auch immer nennen
will) beruhen, ist in den letzten Jahren immer mehr zum Mainstream
in der Emotionspsychologie geworden.
Das allein ist aber eine Binsenweisheit. Vielmehr kommt es darauf
an, Emotion und Kognition in geeigneter Weise zu konzeptualisieren,
um ihr Zusammenspiel möglichst realitätsnah darstellen
zu können.
Von derartigen Konzeptualisierungsversuchen gibt es wohl zur Zeit
in der Emotionspsychologie mehr, als ihr lieb sein kann. Wir werden
im folgenden Kapitel einen dieser Ansätze vorstellen: den von
Bernard Weiner.
Literaturhinweise:
- Meyer,
Schützwohl & Reisenzein (1993), Kap.3
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