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Laudatio zum Franz E. Weinert-Gedächtnispreis 2019

« Zurück zum Jahrgang Master 2019 Über den Franz E. Weinert-Gedächtnispreis
Von Hinrich Bents Lesezeit: 3 Minuten

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Absolventen!

Seit vielen Jahren schon – seit 2002, um genau zu sein – vergibt das Psychologische Institut den Franz E. Weinert-Gedächtnispreis für eine herausragende Abschlussarbeit in unserem Fach. Das ist eine tolle Tradition, wie ich finde, mit der wir unsere Wertschätzung ihren oft herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten gegenüber zum Ausdruck bringen möchten. Leider können wir unter den vielen exzellenten Arbeiten jedes Jahr nur eine prämieren.

In diesem Jahr hat die Auswahlkommission unter dem Vorsitz von Prof. Andreas Voß, neben ihm bestehend aus Prof. Funke und mir (Dr. Hinrich Bents), getagt. Aus den ungefähr 80 Masterarbeiten, die im zurückliegenden akademischen Jahr an unserem Institut erstellt wurden, wurden fünf Arbeiten für den Weinert-Preis vorgeschlagen. Diese fünf Arbeiten haben wir in der Weinert-Kommission erneut begutachtet und wir waren wirklich beeindruckt von der wissenschaftlichen Qualität dieser Werke. Die Kommissionsmitglieder waren sich sofort einig, dass jede dieser fünf Arbeiten eine Prämierung verdient hätte. Die Auswahl einer Arbeit aus diesen fünf Werken war für uns keine einfache Aufgabe. Bei der Wahl der prämierten Arbeit sollen das Engagement der Autorinnen und Autoren, die wissenschaftliche Genauigkeit sowie die argumentative Stringenz herangezogen werden. Bei der Diskussion der eingereichten Arbeiten fiel unser Urteil dann aber doch relativ schnell auf eine Arbeit, die von den Kolleginnen Prof. Dr. Katja Bertsch und Dr. Macia Buades-Rotger betreut wurde. Frau Kollegin Katja Bertsch ist zum 1. Oktober auf eine Professur für Klinische Psychologie an der Ludwig-Maximilian-Universität München berufen worden. Die ausgewählte Arbeit trägt den Titel: „Reaktive Aggression im Sozialen Taylor Aggressions-Paradigma bei Patientinnen mit Borderline Persönlichkeitsstörung und gesunden Frauen - eine Multi Level Analyse". Autorin und damit die diesjährige Preisträgerin des Franz E. Weinert-Gedächtnispreises 2019 ist Frau Mara Sophie Söker. Herzlichen Glückwunsch!

Nun möchte ich versuchen, Ihnen mit wenigen Sätzen einen Einblick in das Forschungswerk von Frau Söker zu ermöglich: Die vorgelegte Arbeit untersucht eine spezielle Gruppe von Patientinnen: solche mit einer Borderline-Störung. Dabei handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung, die unter anderem durch Impulsivität und Instabilität von Emotionen und Stimmung gekennzeichnet ist. Frau Söker hat 50 dieser Personen in einem experimentellen Zwei-Personen-Spiel untersucht, bei dem man schneller als die Gegnerin sein musste, um nicht zu verlieren. Die Verliererin wird mit einem unangenehmen Ton bestraft, dessen Lautstärke man festlegen durfte. Man sieht zudem, ob die Gegnerin bei der Wahl ihres Bestrafungsniveaus neutral oder ärgerlich schaut. Was die Patientinnen nicht wussten: Die Reihenfolge von Gewinn und Verlust war vorher festgelegt worden. Durch eine vorher festgelegte Folge von Erfolgen und Misserfolgen kann man somit reaktive Aggression, also die Reaktion auf die Provokation des Gegners, im zeitlichen Verlauf und in seiner Intensität erfassen. Die Reaktion der Borderline-Patientinnen wurde mit den den Reaktionen normaler Kontrollpersonen weiblichen Geschlechts verglichen. Es zeigt sich in beiden Gruppen – Patientinnen und Gesunde – ein Anstieg von Ärger nach Provokation. Allerdings reagieren nur Gesunde auf das verärgerte Gesicht der Gegnerin mit erhöhter Aggression, die Borderliner zeigen diese Effekte nicht. Ärger als Disposition ist wenig bedeutsam zur Vorhersage der Reaktionen, interindividuelle Variabilität läßt dagegen das Bilden von Untergruppen der Borderliner sinnvoll erscheinen.

In unserer Einschätzung finden wir: Eine gut strukturierte Aufarbeitung der Literatur, große Sorgfalt bei Vorbereitung, Reinigung und Analyse der Daten, sophistizierte Auswertungen mit einem Multi-Level-Modell, veranschaulichende Abbildungen der Effekte, verbunden mit einer hohen klinischen Relevanz – all dies hat die Kommission an der vorliegenden Arbeit besonders beeindruckt.

Liebe Frau Söker, wir gratulieren Ihnen noch einmal ganz herzlich zu diesem schönen Erfolg!