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Diplom 2007 - Rede

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Von Sabine Czenna und Philipp HeßLesezeit: 17 Minuten

Rede der AbsolventInnen auf der 9. Diplomfeier am 14.12.2007 am Psychologischen Institut der Universität Heidelberg

von Sabine Czenna & Philipp Heß

 

 

Hallo alle zusammen

 

So. Nun ist es soweit. Wir sind jetzt Diplom Psychologinnen und Diplom Psychologen.

Oder, wie man neuerdings formulieren würde: „Wir sind Diplom-Psychologie“ beziehungsweise kürzer und prägnanter „Wir sind Psychologie“ - etwa analog der Slogans „Wir sind Papst“ oder „Wir sind Nobelpreis“.

 

Aber - was ist Psychologie eigentlich? Und wer sind wir? Und: Was machen wir, wenn wir Psychologie sind?

 

In der Gesellschaft kursieren teilweise amüsante, teilweise fast nervige Bilder der Psychologie. Wahrscheinlich jeder der jetzigen Diplomanten wird Aussagen kennen wie: „Oh, hast Du mich jetzt schon durchschaut?“ oder „Psychologie, das ist doch ein sehr schwammiges Fach.“ 

Oftmals wird auch die Meinung vertreten: „Psychologie? Das kann man doch intuitiv.“. Empirischen Erkenntnissen der Psychologie folgt manchmal ein: „Haja klar – das hätte ich auch ohne die Psychologie so gedacht.“. Lustig wird es nur dann, wenn man sich bei der Erläuterung der empirischen Ergebnisse geirrt hatte. Man korrigiert sich und stellt die Aussagen richtig. Um dann, verblüfft, eine ähnliche Reaktion, wie zu der falschen Aussage zu erhalten: „Ja, das ist doch trivial.“ . Dem Gegenüber wird dabei offenbar nicht bewusst, dass der scheinbar ja so offensichtliche Zusammenhang wohl doch einer näheren Betrachtung bedarf, und eben nicht offensichtlich ist.

 

Das ist somit das Bild, welches andere von uns und unserem Fach haben…

Doch wie sehen wir uns selbst? Was bedeutet es für uns Diplompsychologe zu sein? Wer sind wir eigentlich? Und was zeichnet uns aus?

 

Um diese Fragen zu beantworten, sind wir prototypisch psychologisch vorgegangen: was wäre ein Psychologe ohne Fragebogen, ohne Untersuchung…

 

Um nicht nur unsere Sichtweise darzustellen haben wir in einer Internetumfrage euch, unsere Mitabsolventen befragt, wie es euch momentan geht, wie eure Sicht des Studiums aussieht.

 

Zusätzlich wollten wir unserem Jahrgang ein Gesicht verleihen und haben euch um ein aktuelles Passfoto gebeten…

 

So, hier also die Ergebnisse.

 

Hier stellt sich uns die erste Frage:  Wie sehen wir überhaupt aus?

 

PP- Folie „Bildern des Jahrgangs“

 

So sehen wir aus!

 

Was bedeutet es nun für uns fertige Diplompsychologin / fertiger Diplompsychologe zu sein?

 

Hierzu am besten einige Zitate aus der Umfrage:

  • Diplomierte Psychologin zu sein bedeutet für mich meinen Traumberuf ausführen zu dürfen. Ich glaube, dass der Bedarf an psychologischer Hilfe groß ist und es eigentlich selbstverständlicher sein müsste diese in Anspruch zu nehmen.
  • diplomierte Psychologin zu sein ist nicht nur ein Beruf für mich, sondern ein Lebensstil und vor allem ein Denkstil
  • Für mich bedeutet das Diplom ein großes Etappenziel auf einem langen, langen Ausbildungsweg erreicht zu haben.

Nun haben wir uns gefragt:  Wie steht es mit unserer Motivation? Sprich, der Teilnahme an der Untersuchung?

 Wie bei Umfragen üblich, haben wir zuerst einmal die Rücklaufquote bestimmt:

 

PP-Folie „Rücklaufquote“

 

Von 75 Absolventen haben wir 42 Fotos erhalten.

32 Personen haben sich die Mühe gemacht, an der Umfrage teilzunehmen.

Wenn man es mit sonstigen Werten vergleicht, kann man sagen: wir sind sehr motiviert!

Vielen herzlichen Dank!

 

Nächste Frage: Wie sieht es bei den demografischen Daten aus?

 

Als erstes interessiert uns hier das Alter der Absolventen

 

PP-Folie „Alter der Absolventen“

 

Zweitens, wie lange haben wir studiert? Hierzu haben wir die durchschnittliche Semesteranzahl der Absolventen untersucht.

PP-Folie „Fachsemester“

 

15 Personen haben ein Auslandsstudium durchgeführt

7x 1 Auslandssemester

8x 2 Auslandssemester

 

Als nächstes stellt sich die Frage: Wie beurteilen wir unser Studium?

 

PP-Folie: „Beurteilung des Studiums allgemein“

 

Positiv hervorhoben wurde die besondere Atmosphäre am Institut. Die geringe Studentenanzahl, die Beziehungen der Studenten untereinander und mit den Dozenten, die vielen Aktivitäten wie EKS und Psychofete, kurz, dass jeder jeden grüßt…

Insgesamt haben wir uns am Institut immer willkommen und aufgehoben gefühlt.

Positiv bewertet wurden des Weiteren die Freiheit der Studiengestaltung und der Selbstorganisation, sowie die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern.

Natürlich darf man auch die spannenden Inhalte des Studiums nicht vergessen.

 

So, genug des Lobes. Was gab es denn zu kritisieren?

 

Negativ angemerkt wurde die viele Theorie und der wenige Praxisbezug und dass beliebte Veranstaltungen restlos überfüllt waren. 

Viele Absolventen hätten sich mehr Anforderungen an ihre Kreativität gewünscht, beispielsweise mehr eigene Forschungsarbeiten und weniger Auswendiglernen, dies vor allem in Bezug auf Prüfungen und Scheinkriterien. Der Prüfungsblock am Ende rief auch keine Begeisterung hervor.

Schön wäre auch gewesen, wenn in den einzelnen Disziplinen etwas mehr über den Tellerrand geschaut werden würde. Sei es in andere psychologische Bereiche oder in andere Studiengänge.

Ärgerlich waren auch die vielen unbesetzten Stellen und dass einige Betreuer lange Diplomarbeitszeiten bevorzugten.

 

Aber auch hier: Genug der Kritik, das reicht jetzt.

 

Zurück zu unserer Untersuchung: Wie Sie schon ahnen… wir wären keine Psychologen, ohne nach Zusammenhängen

zu suchen.

 

PP-Folie: „Korrelationen (I)“

 

[Erläuterung der Folie]

 

Was wäre nun eine psychologische Untersuchung ohne experimentelle Manipulation…

 

Wir haben euch zwei verschiedene Versionen des Fragebogens zum Ausfüllen gegeben. Die eine Hälfte wurde gebeten, spontan und aus dem Bauch heraus die Fragen zu beantworten.

Die andere Hälfte baten wir genau nachzudenken, bevor sie ihre Antworten geben.

Es stellt sich nun die entscheidende Frage: Hat die Art der Beantwortung einen Einfluss auf die durchschnittliche Bewertung des Studiums und der Berufsaussichten?

 

Wie wir gestehen müssen – nein. Egal ob intuitiv oder durch nachdenken geantwortet wurde, die durchschnittliche Antwort war gleich.

 

Doch wer wird denn gleich aufgeben?!

 

Gerade haben wir auf dieser Folie gesehen, dass Zusammenhänge zwischen Alter, Semesteranzahl, Berufsaussichten und Bewertung des Studiums bestehen.

 

Zeigen sich Unterschiede in den Korrelationen zwischen der intuitiven und der reflektiven Bedingung?

 

Sehen Sie selbst…

 

PP-Folie: „Korrelationen (II)“

 

Damit sollten wir genau aufpassen, wie wir Fragen beantworten! Intuitiv wissen wir, dass Alter und Semesteranzahl keinen Einfluss auf unser Studium und unsere Zukunft haben sollten. Nur wenn wir nachdenken, werden unsere Urteile verzerrt…

 

 

Jetzt haben wir die Beschreibung unseres Jahrgangs gesehen. Doch sind wir tatsächlich so homogen?

 

PP-Folie: „Wahlpflichtfach“

 

Wie zu sehen, weisen wir in der Ausrichtung unseres Studiums große Unterschiede auf. Diese Unterschiede zeigen sich aber auch beim Start in den Beruf. Pathologie und BWL sind die beliebtesten Fächer.

 

Als nächstes sehen Sie die gewählten Berufe bzw. die angestrebte Berufsrichtung.

 

PP-Folie: „Berufe“

 

Wir als Diplom-Psychologen arbeiten in sehr unterschiedlichen Bereichen. Dort sehen wir uns zum Teil mit einer Konkurrenzsituation mit anderen Disziplinen konfrontiert. Im wirtschaftlichen Kontext konkurrieren wir beispielsweise um dieselben Stellen wie Betriebswirte, Volkswirte oder auch Ingenieure. Im medizinischen Bereich gibt es gewisse Reibungspunkte zwischen den Psychologen und den Medizinern. Im pädagogischen Bereich sind neben den, in pädagogischer Psychologie vertieften, Diplom Psychologen auch noch die Diplom Pädagogen tätig.

Die Aufzählung soll aufzeigen: Das Berufsfeld der Psychologen ist nicht absolut fest verankert. In allen Bereichen gilt es mit Problemen zu kämpfen. Dies schlägt sich auf die Bewertung der Berufsaussichten nieder.

 

PP-Folie: „Berufsaussichten“

 

Wir haben unsere Mit-Absolventen gefragt, wie sie die Berufsaussichten für sich persönlich beurteilen. Hierbei konnten sie Schulnoten vergeben. Eine 1 bedeutet demzufolge sehr gute Berufsaussichten, eine 5 mangelhafte Berufsaussichten.

Sie sehen, die einzelnen Berufsrichtungen unterscheiden sich in ihren Bewertungen. Die Unterschiede sind zwar nicht signifikant, jedoch können wir Tendenzen ablesen. Alle sind im Bereich „gut“ einzuordnen, wobei die Berufsaussichten im Pädagogischen Bereich am schlechtesten Bewertet werden.

 

Wie die Studie zeigt, bestehen zwischen den einzelnen Interessensschwerpunkten und Berufsrichtungen große Unterschiede.

Nichtsdestotrotz haben wir in unserem Studium gemeinsame Erfahrungen gesammelt, und eine Sozialisierung durchlaufen.

Wir haben gemeinsame Lernpunkte, eine gemeinsame Denkweise und gemeinsame Kompetenzen…

 

PP-Folie: „Wir und die Zukunft“

 

(Wir Psychologen haben) … umfangreiche und besondere Kompetenzen sogar. Nicht nur im klinischen Bereich, sondern auch in den anderen Berufsfeldern der Psychologie. Wir lernen wissenschaftliches Denken, analytisches Vorgehen und das Strukturieren von Problemen. Dabei können wir mit großer Selbst­ständigkeit vorgehen und unsere, in beispielsweise dem Gesprächs­führungs­seminar, dem Päps-Praktikum oder dem ABO-Projektseminar erworbene, hohe soziale Kompetenz anwenden. Die Abschlussprüfungen, bei aller Kritik daran, ebenso wie die beständigen Referate übten uns im sicheren Auftreten und Präsentieren. Darüber hinaus können wir auf eine breite Basis theoretischen Wissens über menschliches Verhalten und Erleben und dessen Determinanten zurückgreifen. Und nicht zuletzt lernten wir ein Stück weit, Komplexität zu denken. Am Ende des Studiums ist das Denken geprägt davon, dass man Interaktionen bei Zusammenhängen erwartet. Eine einfache, monokausale Erklärung kann meist nicht überzeugen. Unter anderem darin unterscheiden wir uns von anderen Disziplinen.

 

Schauen wir uns dazu beispielsweise das Verhältnis der Psychologie zur Medizin etwas genauer an. Die Medizin ist im Vergleich zur Psychologie ein richtiges Schwergewicht betreffend ihres Alters. Das schlägt sich auch im Verhältnis der Mediziner zu den Psychologen nieder und auch in den beruflichen Perspektiven.

Seltsam mag in diesem Kontext erscheinen, dass die Leitungen psychiatrischer und psychotherapeutischer Kliniken fast ausnahmslos in Händen von Psychiatern, mithin Medizinern, liegen. Falls doch ein Psychologe auf einen solchermaßen hohen Posten gelangt, wird ihm üblicherweise ein Arzt zur Seite gestellt. Diese Aussagen stammen aus dem ReportPsychologie Nr. 30 aus dem Jahre 2005, wie auch die nun folgende Weiterleitung dieses Gedankens. - Erstaunlich wird dieser Umstand der Besetzung der Klinikleitung, wenn man sich die Qualifikationen der Mediziner im Vergleich zu den Psychologen ansieht. Klinikleitung – dabei geht es um Leitung, sprich: das Führen von Menschen. Inwiefern erwerben Mediziner in diesem Gebiet Kenntnisse? Jeder Diplom-Psychologe dahingegen muss zum Erwerb des Diploms auch eine Prüfung im Bereich der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie ablegen. Diese umfasst zumindest rudimentäre Anteile von Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung. Zudem werden Psychologen zum Denken in sozialen Zusammenhängen und in komplexen Systemzusammenhängen sozialisiert. Ganz im Gegensatz zu Medizinern, welche eher den Erwerb fehlerfreien linearen Wissens in ihrer Ausbildung nahe gebracht bekommen, für das reibungslose Funktionieren in einem streng hierarchischen Klinikbetrieb. 

Man kann also argumentieren, dass Psychologen vielleicht für die Klinikleitung geeigneter sein könnten. Dennoch: Sie sind kaum auf diesen Stellen zu finden.

Um es hier klarzustellen: Die Aufforderung an die Psychologen soll hier nicht etwa sein, dass sie jetzt scharenweise die Übernahme von Klinikleitungen anstreben. Vielmehr soll die Aussage eine viel allgemeinere sein. Sie richtet sich an alle Psychologen, nicht nur die klinisch tätigen: Wir Psychologen haben bestimmte Fähigkeiten, die wir im Studium erwerben. Diese können und sollten wir auch selbstbewusst vortragen und anwenden, um uns damit Gehör in der Welt zu verschaffen.

 

Ist es nicht so, dass wir wichtige Kompetenzen für die Gesellschaft bereithalten und in sie einbringen? Bei der klinischen Psychologie ist das unmittelbar einsichtig. Diese kann man schön mit dem Bild: „Das Ohr der Gesellschaft“ beschreiben. An dieser Stelle sieht man deutlich den direkten Einfluss der Psychologie, oder der Psychotherapie, auf die Gesellschaft. Aber auch die anderen Bereiche, in denen Psychologen in der Gesellschaft wirken, profitieren von deren Kompetenzen. Zu nennen ist hier die nomothetische, wissenschaftliche Denkweise unter der Annahme multikausaler, interaktionaler Zusammenhänge. Die Welt ist komplex. Dieses zu sehen und damit umzugehen, ist sicherlich eine unserer Kompetenzen. Darüber hinaus ist der „Faktor Mensch“ in anderen Disziplinen oft ein nur am Rande bedeutsamer Aspekt. Nicht so bei uns - und das ist gut so.

 

Dabei nehmen unsere Mitmenschen unsere Qualitäten nicht unbedingt wahr. Manche haben, wie anfangs skizziert, ein eher antiquiertes und vorurteilsbeladenes Bild der Psychologie.  Indes, das Bild der Psychologie in der Gesellschaft wird getragen von den Psychologen. Das ist jeder einzelne von uns. Veränderungen an dem Bild vollziehen sich langsam. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Und alles wird gut werden.

 

Was können wir nun also machen, wenn wir sagen: „Wir sind Psychologie“? Können wir etwas ändern, wenn schon nicht für uns, so doch für die Zunft und zukünftige Psychologen-Generationen? - Wir können etwas ändern.

 

Darum an dieser Stelle der Aufruf: Lasst uns dort hinausgehen in die Welt und uns und unsere Kompetenzen selbstbewusst in die Gesellschaft einbringen. - Wir, die Redner, freuen uns darauf. Wir sind Psychologie.


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