9.2 Orientierung

Die einfachste Möglichkeit, Reize aus der Informationsflut auszuwählen, ist es, die sensorischen Rezeptoren in eine bestimmte Richtung auszurichten: im Englischen kann man hier die Unterscheidung treffen zwischen den passiven Formen "see" und "hear" und den aktiven Formen "look" und "listen".

Meistens sind es sogenannte Hinweisreize, die unsere Aufmerkssamkeit abrupt woanders hin lenken. Diesen Hinweisreizen stehen die sogenannten Informationsreize gegenüber, die unsere Aufmerksamkeit über unsere Erwartung steuern.

Orientierungsreaktion bzw. Orientierungsreflex

Bei einer plötzlichen Bewegung oder einem lauten Ton werden die Sinnesorgane derart angepasst, dass die Bedeutung des stimulierenden Ereignisses schnellstmöglich erkannt werden kann. Wir richten die Augen und den Kopf in Richtung der lauten Töne oder der plötzlich auftretenden hellen Lichter aus. Das System habituiert allerdings sehr schnell: die Stroboskope in der Disco lösen keine Orientierungsreaktionen aus.

Verdeckte Aufmerksamkeit

Im Unterschied zu offener Aufmerksamkeit findet die verdeckte Aufmerksamkeit ohne sichtbare Änderung von Augen-, Kopf- und Körperhaltung statt. Man schaut z.B. weiterhin gerade aus, beobachtet aber jemanden im Augenwinkel.

Visual Capture

Visuelle Stimuli ziehen generell mehr Aufmerksamkeit auf sich als auditorische! Dieses Phänomen nennt man "visual capture".

In einem Experiment von Yantis & Jonides (1984) hat sich gezeigt, dass das abrupte Erscheinen eines Reizes zu einer schnelleren Verarbeitung führt als langsames Erscheinen.

„Visual Capture”: Yantis & Jonides (1984)

Das graduelle Auftauchen der Stimulus-Figur (oben) erschwert die Erkennung im Vergleich zum plötzlichem Auftritt (unten).

Beschattung

Bei Versuchen zum auditiven Beschatten präsentiert man Versuchspersonen auf jedem Ohr eine andere Info und instruiert sie, eine Quelle zu beschatten (und nachsprechen). Man kann beobachten, dass das Beschatten vorübergehend gestört wird, wenn im nicht-beschatteten Kanal abrupte Wechsel vorkommen.

Visuelles Beschatten

Beschatten ist auch bei anderen Sinnesmodalitäten möglich. Hier ist ein Beispiel für visuelles Beschatten.


Allgemeine & Theoretische Psychologie
Wahrnehmung
1 Einleitung
2 Psychophysik
3 Das visuelle System
4 Helligkeitswahrnehmung
5 Farbwahrnehmung
6 Raumwahrnehmung
7 Form- und Figurwahrnehmung
8 Konstanzleistungen
9 Aufmerksamkeit
Literatur
Navigationsleist
zum Selbsttest