2.3 Erkennung
Die
Frage nach der Erkennung eines Reizes ist schwieriger als
die nach der Unterscheidung. Um einen Reiz zu erkennen, muss man
entscheiden können, was genau es ist. Wie geht das?
Die
Identifizierungsfunktion
Die
Stimulusinformation wird über das sensorische Organ vermittelt.
Anschließend wird sie im zentralen Nervensystem des Beobachters
dekodiert: Die Attribute des Stimulus werden ausgewertet.
Um
nun benennen zu können, um welchen Stimulus es sich handelt,
wird eine Regel benötigt, die die Attribute eines Stimulus
mit einem Label verknüpft. Diese Regel nennt man Identifizierungsfunktion.
Wie schwer ein Stimulus zu erkennen ist, hängt von der Anzahl
der Alternativen ab.
Welches
ist das größte, welches das kleinste Quadrat?

Abbildung
1: Drei Alternativen

Abbildung
2: Sieben Alternativen
Informationsgehalt
Um
den Informationsgehalt einer Aussage zu überprüfen, nutzt
man die Kenntnisse der Informationstheorie. Diese wurde 1949
von Shannon und Weaver begründet. Sie bedient sich vieler Metaphern
aus Technik und Elektronik.
Analog
zur Nachrichtentechnik versteht man unter Information die "Reduktion
von Unsicherheit". Jede Frage, die die Anzahl der möglichen
Alternativen um die Hälfte reduziert, definiert 1 Bit.
Die Anzahl der alternativen Antworten auf eine Frage (n) und der
Informationsgehalt dieser Frage (m in bit) stehen also in einem
logarithmischen Verhältnis zueinander:
log2 n = m
Ein
Beispiel: In einer Klasse mit 32 Schülern wirft einer
der Schüler dem Lehrer einen Papierflieger an den Kopf, als
dieser etwas an die Tafel schreibt. Der Lehrer entrüstet sich:
"Wer war das?" Die Frage des Lehrers hat einen Informationsgehalt
von 5 bit, denn es gibt 32 mögliche Alternativen. Die Rechnung
lautet: log2 32 = 5.
Kanalkapazität
Man
strebt es an, Information ohne Verluste zu übertragen (perfekte
Übermittlung). Meistens geht allerdings während der Übertragung
Information verloren. Geht alle Information verloren, so findet
keine Informationsvermittlung statt.
Um
herauszufinden, wie fehlerbehaftet die Informationsübertragung
ist, bestimmt man die Kanalkapazität. Bei einer Person
kann man dies z.B. so messen: Man bietet ihr vier ausgewählte
Stimuli in wechselnder Reihenfolge wiederholt dar (z.B. 12 Mal).
Die Person soll angeben, um welchen Reiz es sich jeweils gehandelt
hat. In einer sogenannten Stimulus-Response-Matrix wird festgehalten,
was das Eingangsignal war und was die Person angegeben hat. Aus
diesen Angaben kann die Kanalkapazität berechnet werden.
Magical
Number 7
Wie
viel Bit können normalerweise korrekt übermittelt werden?
Abbildung
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Werden
genauso viele Bit empfangen, wie gesendet wurden, so spricht
man von "perfekter Übertragung" (perfect information
transmission). Es hat sich aber gezeigt, dass die menschliche
Kanalkapazität auf ca. 2,5 Bit begrenzt ist. Dies entspricht
der "magical number 7" (log2
7 = 2,8).
Die
Zahl 7 bezieht sich dabei auf Informationseinheiten, sog.
chunks. Das heißt, dass die Angabe "1939-1945"
nicht 3 Bit (8 Items) umfasst, sondern zusammengefasst werden
kann zu "Dauer des zweiten Weltkrieges". Dies ist
natürlich nur möglich, wenn man diese Daten kennt.
Die Bildung eines chunks hängt daher vom Vorwissen
ab. Dieser Sachverhalt wird auch sehr gut deutlich an den
Experimenten von Chase und Simon mit Schachspielern.
Begrenzt
wird die Kanalkapazität beim Menschen vermutlich durch
die kognitiven Prozesse (z.B. Antwortcharakteristika der Neuronen).
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Kanalkapazität
in natürlichen Umgebungen
Die
begrenzte Kanalkapazität steht im Widerspruch zu unseren Alltagserfahrungen:
In natürlichen Umgebungen zeigt sich, dass wir Hunderte von
Gesichtern und Tausende von Wörtern identifizieren können.
Anderson
& Fitts (1958) konnten zeigen, dass mit zunehmenden Stimulus-Dimensionen
(also nicht nur Form, sondern auch Farbe, Bewegungsrichtung, Schnelligkeit,
usw.) bis zu 17 Bit übermittelt werden können. Dies entspricht
über 130.000 Reizalternativen.
Natürliche
Reize sind meist leichter unterscheidbar, als die künstlichen
Reize im Labor. Wir sind mit ihnen meist vertrauter und sie haben
auch einen stärkeren Einfluss auf unser Leben.
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