Report about my semester abroad 

Louvain-la-Neuve, Winter semester 2017/2018 (Bachelor)

Zur Gastuniversität

Die Université de Louvain wurde 1425 gegründet, spaltete sich aber 1970 in zwei Universitäten auf: in die Katholieke Universiteit Leuven, in der die Studenten flämisch sprechen und in die Université Catholique Louvain-la-Neuve, in der französisch gesprochen wird. Das hängt mit dem Konflikt zwischen dem wallonischen und flämischen Teil innerhalb Belgiens zusammen. Ich habe die französischsprachige Universität besucht, die sich im QS World University Ranking immerhin auf Platz 153 befindet.

Vorbereitung

Die Vorbereitung auf mein Auslandssemester war ziemlich entspannt. Dank Frau Lorenz und Madame Piquart, die zuständige Administratorin für internationalen Austausch in Louvain-la- Neuve, lief die Kommunikation reibungslos und verlässlich. Nach meiner Zusage für mein Auslandssemester in Belgien kontaktierte mich Mme Piquart und schickte mir nützliche Links zum Kursangebot und die notwendigen Formulare, die ich ihr postalisch zukommen lassen sollte. Darunter befanden sich eine Datenschutzerklärung und die Beantragung des Studentenausweises. Organisatorisch war mein Erasmussemester also wirklich nicht aufwendig.

Unterkunft

Leider habe ich erst ziemlich spät angefangen, nach einer Wohnung Ausschau zu halten (im Juli, los ging es im September). Ich hatte gedacht, dass das in Louvain-la-Neuve kein Problem sein sollte, denn die Stadt ist nicht groß (10.700 Einwohner) und auch kein touristisches Ziel. Allerdings wurde mir dann schnell klar, dass es sich um eine reine Studentenstadt handelt, und die Wohnungen dort heiß begehrt sind, weil man sonst höhere Mieten als in Heidelberg zahlen darf. Ich hatte bis eine Woche vor meinem Umzug keine Wohnung gefunden, bin aber netterweise auf einen Univerteiler gesetzt worden und wurde dann von einem Wohnheim kontaktiert, das noch ein freies Zimmer hatte. Das Wohnheim heißt „Kot Carrefour“ und ist Teil der Kot à Projets, ein tolles Wohngemeinschaft-Projekt in Louvain-la-Neuve. Die Idee: Studenten mit demselben Hobby wohnen zusammen und benennen ihre WG danach. Es gibt zum Beispiel eine Japan-WG, die regelmäßig zum japanischen Kochen eingeladen hat, natürlich die Erasmus-WG, die fast täglich zu Beginn des Semesters Partys für die Austauschstudenten geschmissen hat und diverse andere. Ich musste mich auf das Zimmer bewerben mit Lebenslauf, Motivationsschreiben und Skype- Interview. Zu meiner Überraschung bekam ich das Zimmer und ich muss sagen: das Wohnheim war eines der besten Erfahrungen in meinem gesamten Studium. Das „Kot Carrefour“ steht für eine Kreuzung, an der sich Wege treffen, und hat sich der Idee des interkulturellen Austauschs verpflichtet. Wir waren 36 Studenten, die Hälfte davon Belgier, die andere Hälfte Menschen aus der ganzen Welt. Wir haben zusammen gewohnt wie eine Familie, jeder war sehr respektvoll, interessiert und herzlich. Ich habe dort Freunde fürs Leben gewonnen. Obwohl wir aus allerlei Ländern kamen, war die Sprache der Wahl französisch, wofür ich sehr dankbar war, weil ich das Auslandssemester hauptsächlich machen wollte, um mein französisch zu verbessern. Für diejenigen, die sich früher um eine Wohnung kümmern wollen, würde ich die Facebookgruppe „Recherche kot/appartement/colocation à Louvain-la-Neuve“ empfehlen. Dort gibt es vor allem am Ende des Semesters viele gute Vorschläge für Wohnungen. Im schlimmsten Fall kann man auch erstmal im Kot Erasmus übernachten, da würde ich allerdings Oropax mitnehmen, denn im selben Haus finden die Erasmus-Partys statt und es ist sehr laut.

Studium

Zu Beginn des Auslandssemesters gab es mehrere Einführungsveranstaltungen, die oft im kleinen Rahmen stattfanden und man direkt Kontakt aufnehmen konnte zu etwaigen Gruppen und Organisationen. Auch im Psychologischen Institut gab es eine Einführung, von Madame Piquart gehalten, die hilfreich war. Dort wurden uns auch direkt unsere Ausweise ausgehändigt. Die Betreuung war sehr gut, Madame Piquart stand immer für Fragen zur Verfügung und bemühte sich um uns. Man musste auch nur wenige Formalitäten klären, zum Beispiel das Learning Agreement aktualisieren. Nicht mal für die Prüfungen musste man sich anmelden, das übernahm Mme Piquart für uns. Ich habe mich gegen einen Sprachkurs entschieden, da mich die Vorlesungen mehr interessierten. Allerdings muss ich rückblickend sagen, dass ich für meine Leistungspunkte womöglich besser einen Sprachkurs gewählt hätte, da ich in der Klausurenphase doch sehr gestresst gewesen bin. Ich wählte sechs Vorlesungen, hauptsächlich im Bereich der Neuropsychologie, die in Louvain-la-Neuve relativ viel vertreten ist, und im Bereich der Klinischen Psychologie. Die Vorlesungen überraschten mich positiv: sie waren viel anwendungsorientierter als in Heidelberg und daher eine gute Ergänzung zu den Theorien, die ich aus dem Studium in Heidelberg kannte. Die Hörsäle sind modern, gut klimatisiert und die Professoren haben fast alle ein Mikrofon benutzt, was das akustische Verständnis wesentlich erleichtert hat. Die Unterlagen wurden alle auf Moodle hochgeladen, und in Facebook hatten wir tolle Gruppen von den Studenten, wo Zusammenfassungen geteilt wurden. Ich habe das Niveau der Vorlesungen als sehr anspruchsvoll empfunden. Die Themen waren umfangreich und komplex. Die Auswahl an Kursen kam mir allerdings nicht berauschend vor: es gab zwar einiges zur Psychoanalyse, was mir in Heidelberg gefehlt hat, aber die Seminare boten wenig Überraschendes - das Angebot in Heidelberg gefällt mir da wesentlich besser!

Die Klausurenphase fand ich wirklich sehr belastend. Es gibt keinen Zweittermin, das bedeutet, wenn man durchfällt, schreibt man im Sommersemester nach. Das hat mir ziemlich Druck gemacht, weil ich Angst hatte, dass ich die Leistungspunkte nicht zusammen bekomme. Die Klausuren sind ziemlich komprimiert gelegt auf die ersten zwei Wochen im Januar, über Weihnachten habe ich also nur gelernt. Außerdem ist das Format der Wahl Multiple Choice mit Punktabzug für falsche Antworten, was oft sprachlich ein Problem war. Ich durfte zwar ein Lexikon mit in die Klausuren nehmen, allerdings hatte ich oft kein Wortschatzproblem, sondern eine Formulierung war unklar. Ich habe auch zwei Klausuren geschrieben, die ziemlich unfair gestellt worden sind - danach gab es dann Diskussionen mit den Professoren. Es wurden Fragen gestellt, die als „nicht prüfungsrelevant“ gekennzeichnet worden waren, oder Diagnosen verlangt, die wir nicht zu stellen gelernt hatten. Die Prüfungsphase hat meinen positiven Eindruck von der Qualität der Lehre also leider ein wenig überschattet.

Alltag und Freizeit

Louvain-la-Neuve ist 1971 gebaut worden und bietet daher wenig „Geschichtliches“. Da die Stadt hauptsächlich für Studenten gebaut wurde, kann man gut feiern, essen und trinken gehen - ein Muss ist wohl das berüchtigte Casa, ein ziemlich abgeranzter Club, in dem die Gäste mit Bier schmeißen - eine Erfahrung wert! Für etwas gesittetere Partys geht man ins Becketts. Die Stadt ist klein, man kann alles zu Fuß erreichen, was gerade für das Nachtleben sehr angenehm ist. Es gibt einen schönen, künstlich angelegten See, an dem man joggen gehen kann, und im Umkreis befinden sich ein paar Wälder, die sich ausgezeichnet zum Spazierengehen oder Wandern eignen. Dienstags und samstags gibt es einen kleinen Markt, auf dem man sehr leckere Waffeln kaufen kann. Etwas versteckt in Louvain-la-Neuve befindet sich eine Wohnwagen-Gegend, in der sich die „Öko-Szene“ abspielt. Hier kann man zum Beispiel für einen selbstbestimmten Preis vegan essen gehen. Für mich war vor allem die Lage Louvain-la-Neuves gut: in einer Stunde ist man in Brüssel,; Ghent, Liege, Antwerpen usw. sind auch schnell zu erreichen. Zusammen mit den Organisatoren der Erasmus-Gruppe bin ich viel gereist, das war wirklich toll! Ansonsten habe ich viel Zeit mit meinen Mitbewohnern verbracht; wir hatten kulturelle Wochen, in denen wir anderen Studenten zum Beispiel die arabische Kultur nährgebracht haben, indem wir zusammen gekocht und gesungen haben.

Fazit

Wie man es in wahrscheinlich jedem Erasmusbericht lesen kann: diese Erfahrung will ich nicht mehr missen! Ich habe eine tolle Zeit in Louvain-la-Neuve gehabt, vor allem durch mein Wohnheim, das mir wirklich ein Zuhause war. Das Studieren auf Französisch hat mir großen Spaß gemacht und mir in meiner sprachlichen und persönlichen Entwicklung wirklich weitergeholfen. Das einzige Manko war die Prüfungsphase, weswegen ich den Interessierten raten würde, die Kurse so zu wählen, dass beim Nichtbestehen trotzdem genügend Leistungspunkte vorhanden sind, damit sie nicht schlimmstenfalls ein Jahr später nochmal eine Klausur wiederholen müssen. Insgesamt kann ich jedem nur empfehlen, nach Louvain-la-Neuve zu gehen!