Amsterdam, WS 2018/19 (BSc)

Amsterdam, Wintersemester 2018/2019 (Bachelor)

Vorbereitungen

Der Bewerbungsprozess am Psychologischen Institut für einen Erasmusplatz im Ausland ist sehr gut strukturiert und jeder ist Schritt klar. Bei Fragen konnte ich mich jederzeit an die Erasmuskoordination wenden. Wichtig ist, dass man sich rechtzeitig um die Unterlagen kümmert, die durch andere Personen zur Verfügung gestellt werden, wie das Gutachten eines/r Dozenten/in. Um die eigenen Chancen auf einen Erasmusplatz zu erhöhen, sollte man im Motivationsschreiben nicht nur die persönliche Bedeutung der Ortswahl erläutern, sondern insbesondere auch akademische Argumente anführen, wie etwa einen speziellen Kurs, den nur diese Uni anbietet. Dies sollte bei der VU kein Problem sein, weil hier eine Vielzahl außergewöhnlicher Kurse angeboten werden, die so nicht an jeder Universität vorzufinden sind. Da es am Psychologischen Institut momentan nur einen Platz für ein Bachelor- Erasmus-Semester an der VU Amsterdam gibt, kann es sinnvoll sein, ausschließlich Amsterdam auf die Prioritätenliste zu setzen.

Unterkunft

Bei der Unterkunftssuche wird man vom Incoming Students Team der VU unterstützt. Grundsätzlich hat man die Möglichkeiten, zwischen mehreren Wohnalternativen zu wählen, wenn man sich nicht privat um eine Unterkunft kümmern möchte. Man kann sich beispielsweise auf ein Wohnheim der Wahl bewerben (die Mieten sind jedoch deutlich höher, als man es von deutschen Wohnheimen gewohnt ist) ­ manche davon sind auf dem Campus Uilenstede, der nicht weit entfernt ist von der Uni selbst. Weitere Zimmer werden durch Studentenhotels zur Verfügung gestellt, die zwar deutlich teurer sind als die Wohnheimzimmer, dafür aber auch etwas mehr Komfort und Sauberkeit bieten. Ich entschied mich das Zimmer eines Studierenden zu übernehmen, der selbst ein Auslandssemester macht. Meine WG bestand aus zwei Niederländern und mir. Die gemeinsame Zeit habe ich sehr genossen, da ich durch das Zusammenleben vermutlich etwas mehr Einblick in den niederländischen Alltag erhalten konnte, als es in einem International Student Hotel möglich gewesen wäre.

Ankunft und Orientation Week

Da ich alles Weitere bezüglich der Unterkunft privat klären konnte, haben mich meine Mitbewohner bei meiner Ankunft empfangen. Direkt am selben Tag begann die Einführungswoche. In der Orientation Week geben sich die Koordinatoren, die für die Incoming Students zuständig sind, viel Mühe, jeden in der neuen Stadt willkommen zu heißen. Mit täglichen Aktivitäten zum Kennenlernen der anderen Studierenden und der Stadt wird man durch die erste Woche geleitet. Während dieser Tage traf ich einige der Leute, mit denen ich dann auch die meiste Zeit meines Auslandssemesters verbracht habe. Neben einer Stadtrally und mehreren Partys beschäftigten sich die Veranstaltungen mit organisatorischen Themen wie der Teilnahme an Unternehmungen, studentischen Gruppen, Sportangeboten und Versicherungsbelangen.

Uni-Leben an der VU

Die Vrije Universiteit liegt in Zuid, im Süden der Stadt. Durch die Metro- und S-Bahn-Haltestellen ist der Campus sehr gut zu erreichen, am einfachsten und schnellsten bewegt man sich in Amsterdam aber natürlich mit dem Fahrrad fort. Von meiner WG in West dauerte es gerade mal 20 Minuten.

Die Kurswahl ließ sich an der VU sehr flexibel gestalten. Einen Kurs nach der Ankunft zu wechseln, war kein Problem. Dabei gab sich das Incoming Students Team sehr viel Mühe, es jedem recht zu machen. Was mir besonders gefiel, war die Interdisziplinarität der Kurse. Das liegt zum Teil daran, dass man als Austauschstudent vor allem Minor-Kurse belegen kann, in denen sich Studierenden aus allen Fachrichtungen zusammenfinden, die den jeweiligen Minors neben ihrem Hauptfach belegen. Auf diese Weise kamen interdisziplinäre Diskussionen und Themenbetrachtungen zustande, in die jeder seinen fachlichen Beitrag leisten konnte. Insbesondere in den Fächern Migration Studies und Philosophy and Neuroethics konnte die Interdisziplinarität einen großen Beitrag leisten, das hat mir sehr gefallen. Insgesamt fand während der Seminare und Vorlesungen auch mehr Interaktion statt: Offene Diskussionen, Meinungsaustausch und Gruppenarbeiten waren Teil von fast jeder Seminarstunde.

Vom Arbeitsaufwand her sollte man mit einem höheren Pensum während der Vorlesungszeit rechnen, da wöchentliche Aufgaben verteilt werden und man immer am Ball bleiben sollte. Am Ende jeder Period stehen die Klausuren an. Durch die laufenden Aufgaben empfand ich die Klausurvorbereitung jedoch als weniger aufwändig als in Heidelberg.

Die Mensa der VU ist zwar teuer, bietet aber eine große Auswahl an Lunchmöglichkeiten. Wer etwas sparen möchte, kann auch zum Campussupermarkt gehen. Der Campus bietet viele Arbeitsmöglichkeiten und Sitzgelegenheiten ­ nicht nur in der Bibliothek. Nur die Erreichbarkeit der Lehrräume stellt sich manchmal als etwas umständlich heraus, weil man beispielsweise häufig anstehen muss, um eine Aufzug in eines der höheren Stockwerke des Hauptgebäudes nehmen muss.

Leben in Amsterdam

In einer so bunten, kulturreichen und vielfältigen Stadt zu leben, war eine großartige Erfahrung für mich. Für eine Hauptstadt ist Amsterdam zum Glück recht übersichtlich, sodass man sich selten verloren fühlt ­ auch dadurch, dass sich jeder Ort in der Stadt mit dem Fahrrad erreichen lässt. Die Internationalität macht es einem einfach sich zu verständigen. Durch die offene Art der Niederländer/innen und ihre guten Englischkenntnisse in jeder Generation kommt man schnell in Gespräche und fühlt sich nicht unbedingt wie ein Austauschstudent. Ich hatte auch großen Spaß daran, ein bisschen Niederländisch zu lernen. Durch die Ähnlichkeit mit Deutsch und Englisch fällt das Verstehen nicht schwer und die wichtigsten Ausdrücke prägt man sich schnell ein.

Kulturell hat Amsterdam natürlich sehr viel zu bieten, auch außerhalb der Touristenzentren. Wer gerne in Museen geht, kann 60 für die sogenannte Museumkaart zahlen und dafür ein Jahr lang in alle teilnehmenden Museen in den Niederlanden gehen. Die Karte lohnt sich meiner Meinung nach allein für Amsterdam: Neben dem Anne-Frank-Huis und dem Rijksmuseum, gibt es zahlreiche weitere Museen mit wechselnden Ausstellungen, wie das Fotografie-Museum Foam oder das anthropologische Troopenmuseum in Amsterdam-Oost. Um die Stadt aus einer anderen Perspektive zu erleben, haben wir, als es noch sommerlich warm war, als Gruppe ein Boot gemietet, dass uns durch die Grachten gefahren hat ­ eine Kulisse, die Niederländer/innen auch selbst gerne zum Borrel nutzen (Borrel bezeichnet ein geselliges Zusammenkommen mit Freunden zum Trinken und Häppchen Essen, man kann in den meisten Bars auch sogenannte Borrelplatters bestellen). Neben den Borrels hat Amsterdams Nachtleben auch sonst viel zu bieten und das kulinarische Angebot in der Stadt trifft jeden Geschmack. Das Wetter ist in den Niederlanden bekanntlich etwas ungemütlich. Dieses Klischee hat sich bei mir bis auf den Januar allerdings kaum bestätigt. Zwar muss man immer wieder mit Regen rechnen, dafür gibt es mittlerweile aber Apps, zum Beispiel den Buienalarm, der genau Auskunft über den Regenzeitraum gibt, sodass man sich danach richten kann.

Fazit

Insgesamt kann ich jedem nur empfehlen, sich für ein Auslandssemester in Amsterdam zu bewerben. Obwohl die Kultur auf den ersten Blick nicht sonderlich anders als unsere erscheint, war ich sehr überrascht, wie viele spannende Unterschiede es gibt. Der längere Aufenthalt hat mir ermöglicht, die Stadt aus einer besonderen Perspektive zu erleben, Freunde aus aller Welt zu finden und Orte abseits von Tourismuszentren zu entdecken, die ich immer wieder besuchen werde. Dazu gehören zum Beispiel die Hallen im Oude West. Die ehemaligen Straßenbahnhallen wurden renoviert und beinhalten heute neben mehreren Läden auch die Foodhallen, die eine große Auswahl an Ständen mit Streetfood aus allen Ecken der Welt bieten. Auch ein Kino befindet sich in den Hallen und eine Bibliothek mit Café namens BelCampo. Da die Bibliothek für mich deutlich näher lag als der VU-Campus, habe ich meist die erste Etage des Cafés zum Arbeiten genutzt, hier gibt es eine Menge Sitzplätze mit Steckdosen und großen Tischen, an denen viele Personen arbeiten, der Kaffee und die kleinen Gerichte sind lecker und preiswert. Meine Lieblingsviertel neben dem Westen waren Jordaan (hier gibt es viele kleine Bars und Cafés, z.B. das Café Thijssen mit PubQuiz jeden Montag) und das Viertel um Haarlemmerdijk, hier trifft man trotz der zentralen Lage weniger auf Touristen. Meine Zeit in Amsterdam war wirklich eine tolle Erfahrung, die ich nur empfehlen kann. Aus den Freundschaften, den Univeranstaltungen und all meinen Erlebnissen in der Stadt werde ich sehr viel mitnehmen. Ich freue mich schon, bald wieder zu kommen!