Amsterdam, SS 2018 (BSc)

Amsterdam, Summer semester 2018 (Bachelor)

Bereits im ersten Semester meines Psychologiestudiums an der Universität Heidelberg im Wintersemester 2014/15 war für mich klar, dass ich ein Semester im Ausland verbringen möchte. Nach einiger Recherche entschied ich mich letztlich für die Vrije Universiteit Amsterdam, da mir sowohl die Universität als auch die Stadt sehr zusagten. Das letzte Sommersemester meines Bachelor-Studiums verbrachte ich nun also in den Niederlanden, was sich als schönst-möglicher Abschluss meines bisherigen Studiums erwies.

Organisatorisches

Die Erasmus-Koordination wirkte auf mich zunächst etwas einschüchternd. Nach einem Gespräch mit Frau Lorenz, der Erasmus-Koordinatorin des Psychologischen Instituts, verflüchtigten sich meine Sorgen jedoch. Alle Informationen zur Bewerbung werden klar und verständlich zur Verfügung gestellt und auch das Prozedere nach der erfolgreichen Bewerbung ist gut strukturiert. Sowohl die Universität Heidelberg als auch die VU senden die Informationen frühzeitig. Solange man sich also an alle Fristen hält, sollte nichts schiefgehen. Dies gilt beispielsweise für die Bewerbungsfrist: Da ich im Sommersemester nach Amsterdam wollte, musste ich mich bereits zum Januar des Vorjahres (Januar 2017) um den Studienplatz bewerben. Ich würde daher empfehlen, frühzeitig mit der Planung zu beginnen. Insbesondere auf das Motivationsschreiben sollte dabei wert gelegt werden ­ was hat die VU zu bieten? Entspricht das meinen Vorstellungen? Warum möchte ich gerade an diese Universität und an keine andere? Zudem gilt es zu beachten, dass das Sommersemester in Amsterdam bereits Anfang Februar beginnt und sich somit mit dem Semester in Heidelberg überschneidet. Dies sollte also rechtzeitig mit den Heidelberger Dozenten besprochen werden. Leider werden im Sommersemester in Amsterdam zudem deutlich weniger Kurse für Austauschstudenten angeboten, sodass die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt sind. Hierbei lohnt sich daher ein Blick auf die Website der VU, um zu überprüfen, welche Kurse in den letzten Jahren für Exchange-Students in den jeweiligen Semestern angeboten wurden und inwiefern diese in das Heidelberger Curriculum passen.

Kurswahl

Wie schon angedeutet, stellt die VU Amsterdam für Erasmus-Studierende eine gesonderte Liste an möglichen Kursen zur Verfügung. Das Semester ist dort in drei Perioden eingeteilt, wobei die ersten beiden über jeweils 8 Wochen und die letzte Periode über 4 Wochen gehen. Insofern ist es empfehlenswert, für die längeren Perioden jeweils zwei Kurse und für die letzte, kürzere Periode nur einen Kurs zu wählen. Pro Kurs erhält man 6 ECTS Punkte und ist dadurch gut ausgelastet.

In der Bewerbungsphase stellt man das Learning Agreement zunächst aus den Kursen zusammen, die in der Vergangenheit angeboten wurden. Natürlich ist nicht absehbar, ob diese dann auch tatsächlich wieder angeboten werden ­ das erste Learning Agreement ist also wirklich nur ein erster Anhaltspunkt und wird in der Regel sowieso nochmal abgeändert, sobald die endgültige Kursauswahl feststeht. Das International Office in Amsterdam sendet hierfür rechtzeitig Informationen über die Kurse, sodass man eine Vorauswahl treffen kann. Sobald die Vorlesungstermine dann endgültig feststehen, wird man vom International Office informiert und kann seine Auswahl nochmal auf Überschneidungen überprüfen und ggf. in andere Kurse wechseln. Zur Not geht dies aber auch noch vor Ort.

Sonstige organisatorische Angelegenheiten

Nach der erfolgreichen Bewerbung in Heidelberg passierte erst mal eine Zeit lang nichts ­ dies hat damit zu tun, dass ich mich für das Sommersemester im darauffolgenden Jahr beworben hatte, sodass die ganzen organisatorischen Prozesse etwas später anlaufen. Ungefähr im Oktober wurde ich dann an der VU als Kandidatin vorgeschlagen und musste mich auch dort noch einmal bewerben. Dieser Prozess ist eher eine reine Formsache und relativ schnell erledigt. Nach der Zusage der VU erhielt ich einige Mails des International Offices bezüglich der erforderlichen nächsten Schritte (u.a. Auslandsversicherung, Unterkunft, Kurswahl, Buddy programme, Introduction weekend etc.). Die Informationen wurden an die Hand gereicht, waren sehr ausführlich und die Koordinatoren sehr gut erreichbar, sodass man sich während des bürokratischen Prozederes gut betreut fühlte.

Dieser Prozess endete mit dem "Arrival Day" Anfang Februar. Dieser fand auf dem Campus Uilenstede statt, wo man die Koordinatoren des International Offices kennenlernt, die Immatrikulationsbescheinigung und Uni-Karte sowie eine Goodie-Bag erhält, letzte Fragen (z.B. zu den Kursen) klären kann und auch Dokumente unterschreiben lassen kann. Außerdem kann man sich dort direkt bei der Stadt registrieren, sich mit dem ESN-Netzwerk vertraut machen oder sich ein Fahrrad bei den BikeBoys organisieren. Am darauffolgenden Tag finden dann Einführungsveranstaltungen auf dem Uni-Campus statt, wo das Studiensystem erläutert wird, eine Campus-Führung stattfindet und im Anschluss noch eine Stadt-Rallye veranstaltet wird.

Ich persönlich empfand die ersten Tage als sehr hilfreich, da letzte Fragen gut geklärt werden können und man direkt eine Möglichkeit hat, Anschluss zu anderen Austauschstudenten zu knüpfen.

Studium an der VU

Das Sommersemester beginnt in den Niederlanden Anfang Februar, endet Ende Juni und ist, wie unter Kurswahl erwähnt, in drei Perioden unterteilt, die jeweils mit einer Prüfungswoche enden. Dadurch beschäftigt man sich während einer Periode durchgehend sehr intensiv mit den Kursinhalten und der Thematik. Das hat den Vorteil, dass man gegen Ende der Periode eigentlich schon gut auf die Klausur vorbereitet ist. Ich war allerdings nichtsdestotrotz von dem Lernaufwand überrascht ­ der Lernstoff wird nun nicht über das gesamte Semester verteilt, sondern in mehreren Vorlesungen pro Woche durchgenommen. Dazu kommen wöchentliche Assignments, Präsentationen, Gruppenarbeiten und Readings, bevor dann am Ende die Klausur geschrieben wird. Dies hat zur Folge, dass das Studium an der VU deutlich verschulter ist als in Deutschland und man in der Einteilung des Lernaufwands bei weitem nicht so frei ist wie gewohnt.

Das Notensystem ist mit dem deutschen nicht vergleichbar. Es reicht von 0 (schlechteste Note) bis 10 (beste Note), bestanden hat man ab einer 5.5. In der Einführungsveranstaltung wurde uns gesagt, dass die besten Noten 10 und 9 quasi nicht vergeben werden. Dies ist von großer Relevanz, wenn man sich die Noten aus dem Auslandssemester zuhause anrechnen lassen möchte, da es durchaus möglich ist, dass die Noten an der VU den eigenen Notendurchschnitt nach unten ziehen. Ich habe die Notengebung persönlich zwar als nicht ganz so streng erlebt wie dargestellt, nichtsdestotrotz kann die Umrechnung aber natürlich zu Enttäuschungen führen. Insofern sollte man sich dessen vorher bewusst sein.

Die Kurse haben mir im Übrigen sehr gut gefallen. Teilweise hatten sie die Größe von Seminaren, teilweise von Vorlesungen, aber sie waren allesamt sehr interessant und offen für Diskussionen. Durch die Einteilung in Perioden, hatte ich das Gefühl, tiefer in die Thematiken einzusteigen als üblich. Zudem war es sehr spannend, mal das Lehrsystem an einer anderen Universität kennenzulernen. Dies ist mir insbesondere bei den unterschiedlichen Formen der Leistungserbringung aufgefallen: Von der Gestaltung eines Posters bis hin zur Erstellung eines Marketing-Videos für eine Trainings- oder Coaching- Maßnahme war alles dabei. Die Dozenten sind zudem sehr kompetent, sympathisch, engagiert und bemüht und die Ausstattung der Universität sehr gut und modern.

Als Fazit zum Studium an der VU kann ich also sagen, dass ich viel Interessantes gelernt habe, auch wenn der Lernaufwand höher war als erwartet. Es ist dennoch gut machbar und steht einer ereignisreichen Erasmus-Zeit in Amsterdam keinesfalls im Wege!

Wohnen in Amsterdam

Durch das International Office der VU erhielten wir sehr früh die Information, dass es sinnvoll sei, sich bei DUWO um ein Studentenzimmer zu bewerben, da der Wohnungsmarkt in Amsterdam sehr schwierig (und teuer) sei, insbesondere wenn man nicht vor Ort ist. Bei DUWO stehen unterschiedliche Zimmertypen und Gebäude zur Auswahl, von gemeinschaftlichen Bädern und Küchen bis hin zu einem eigenen Apartment ­ dementsprechend unterschiedlich fallen auch die Kosten aus. Ich habe mich für ein Zimmer mit eigenem Bad und Balkon aber gemeinschaftlicher Küche mit 13 Mitbewohnern auf dem Campus Uilenstede entschieden. Die Miete lag dabei dann bei ca. 450. Das Gebäude, der so genannte "Green Tower", ist zwar alt, wird aber nach meinem Aufenthalt teilweise komplett renoviert. Während meines Aufenthaltes musste ich somit mit einer etwas verlebten Einrichtung Vorlieb nehmen und auch das Badezimmer und die Küche waren sichtbar in die Jahre gekommen. Das sollte aber nach den Renovierungen anders aussehen! Wer sich für ein Leben auf dem Campus und insbesondere im Green Tower entscheidet, sollte allerdings damit rechnen, dass es am Wochenende und auch unter der Woche (vor allem mittwochs, dazu später mehr) oft lauter wird, da sehr häufig WG-Partys gefeiert werden. Zudem sind die Gemeinschaftsküchen oft in einem sehr chaotischen und unhygienischen Zustand ­ ich hatte zwar Glück, da meine Mitbewohner/innen und ich wirklich regelmäßig für Sauberkeit gesorgt haben, hatte aber einige Freunde, die dann komplett auf das Kochen in ihrer Küche verzichtet haben. Die Wohnsituation ist also mitunter schon eine Herausforderung, wer aber seine Ansprüche ein bisschen herunter schraubt und viel Freude an Trubel hat (oder Ohropax mitnimmt) wird lernen, sich hier wohlzufühlen!

Der Campus Uilenstede hat insgesamt sowohl Vor- als auch Nachteile. So ist der Campus nur 5-10 Minuten mit dem Fahrrad von der Uni weg und auf dem Campus befinden sich ein kleiner Supermarkt, eine Bar, ein Restaurant, ein Fitnessstudio, ein Kulturzentrum, ein Fahrradladen und ein Copy-Shop. Zudem leben hier vorrangig Studierende und insbesondere im so genannten "Green Tower" sind nahezu ausschließlich Austausch- Studierende untergebracht. Die Atmosphäre ist somit sehr international und bei zahlreichen "cultural dinners" in den WGs hat man die Möglichkeit, viele andere Kulturen kennenzulernen. Es ist immer etwas los und die besten Freunde sind meist nur wenige Stockwerke entfernt. Auch der Zusammenhalt unter den Studierenden ist groß, sodass man immer in der WhatsApp- oder Facebook-Gruppe fragen kann, ob jemand ggf. eine Luftmatratze zum Ausleihen hat oder ob bei anderen auch der Strom ausgefallen ist. Nachteil ist allerdings, dass Uilenstede relativ weit außerhalb liegt und schon gar nicht mehr Teil von Amsterdam ist, sondern zu Amstelveen gehört. In das Stadtzentrum benötigt man daher mit dem Fahrrad 20-30 Minuten, mit der Metro oder Tram ca. 20-25 Minuten. Dadurch kann man nicht mal eben auf einen Kaffee in die Stadt fahren. Insbesondere in Zeiten, in denen an der Uni viel zu tun ist, hatte ich also manchmal das Gefühl, gar nicht so viel von Amsterdam mitzubekommen. Letztlich ist der Weg in die Stadt mit dem Fahrrad aber wirklich gut machbar, sodass es kein Hindernis gibt, regelmäßig in die Stadt zu fahren. Zudem sollte man wissen, dass man auf dem Campus oft in einer internationalen Blase lebt, da Niederländer und internationale Studierende getrennt untergebracht werden. Kontakt zu niederländischen Studierenden herzustellen, ist also mitunter gar nicht mal so einfach.

Nichtsdestotrotz habe ich mich auf dem Campus Uilenstede sehr wohl gefühlt und dort in den vergangenen fünf Monaten ein Zuhause gefunden!

Leben in Amsterdam

Amsterdam ist eine wunderschöne Stadt, die unglaublich viel zu bieten hat. Sie ist weltoffen, tolerant und bunt, bietet viel Kunst, Kultur und Geschichte, Nachtleben, super Restaurants und zahlreiche Cafés ("gezelligheid" wird hier großgeschrieben) sowie viele Parks oder den "Amsterdamse Bos", ein Waldstück in der Nähe von Uilenstede, das definitiv einen Fahrradausflug wert ist! Es gibt immer etwas Neues zu entdecken, und fünf Monate sind bei weitem nicht genug, um die Stadt und ihre einzigartigen und unterschiedlichen Stadtteile kennenzulernen. Insbesondere bei schönem Wetter strömen alle nach draußen und genießen das Leben, beispielsweise bei einer Grachtenfahrt. Ein besonderes Highlight war natürlich der King's Day am 27. April ­ eine meiner besten Erfahrungen während des Austauschs! Ich war insofern also sehr glücklich mit meiner Entscheidung, im Sommersemester nach Amsterdam zu gehen. Das Wetter ist doch häufiger nass und stürmisch als in Heidelberg und gerade die ersten Monate waren so kalt, dass man auf den Grachten Schlittschuh laufen konnte. Im Frühling und Früh-Sommer hat sich Amsterdam dann aber von seiner schönsten Seite gezeigt, sodass sogar Strandausflüge möglich waren! Mir hat die Atmosphäre in der Stadt in den sonnigen im Vergleich zu den winterlichen Monaten deutlich besser gefallen, weswegen ich jedem empfehlen kann, sich für einen Sommer in Amsterdam zu entscheiden.

Ein Muss ist dabei natürlich das eigene Fahrrad ­ nichts macht mehr Spaß (oder ist stressiger ...), als die Stadt mit dem Fahrrad zu erkunden! Die Uni bietet dabei die Möglichkeit an, vorab ein Fahrrad bei den BikeBoys zu reservieren, das man dann für 125 kaufen und nach Ende des Aufenthalts wieder für 50 an die BikeBoys verkaufen kann. Ich persönlich habe mein Fahrrad aber für sehr viel weniger Geld über Facebook-Gruppen erstanden und auch verkauft und würde jedem dazu raten. Zwar sind die BikeBoys stressfreier, da man sich eigentlich um nichts kümmern muss, außer das Fahrrad abzuholen und wieder hinzubringen. In Amsterdam gibt es aber nun mal so viele Fahrräder, dass man mit etwas mehr an Aufwand auch günstiger wegkommt. Als Alternative kann man auch bei Swapfiets für 15 pro Monat sehr gute Fahrräder mieten.

Ein weiteres Highlight ist ESN (Erasmus Student Network), das sehr darum bemüht ist, zahlreiche Day-Trips, Partys oder andere Veranstaltungen zu organisieren, wie beispielsweise das Introduction Weekend, ein vergünstigter Besuch in der Heineken Experience oder ein cultural dinner. So findet jeden Mittwoch eine ESN-Party im Coco's (einer Bar am Rembrandtplein) statt, weshalb es auch mittwochs in Uilenstede immer lauter werden kann, bevor alle in die Stadt aufbrechen. Zusätzlich hat ESN zum Beispiel auch einen kostenlosen Niederländisch-Kurs angeboten, der viel Spaß gemacht hat. Die ESN- Mitglieder sind wirklich sehr bemüht, haben eine Menge Spaß und hier kommt man dann auch endlich mal mit niederländischen Studierenden in Kontakt.

Noch ein kleiner Hinweis am Rande: Grundsätzlich sollte man sich darauf einstellen, dass Amsterdam teuer ist. Das spiegelt sich sowohl in der Miete, als auch in Cafés, Restaurants, Bars oder beim Feiern bemerkbar.

Fazit

Insgesamt war das Erasmus-Semester an der VU in Amsterdam eine der schönsten Erfahrungen meines Studiums, sowohl aus fachlicher als auch aus persönlicher Sicht. Das Studieren an einer anderen Universität, die einen anderen Blickwinkel auf die eigene Disziplin hat, war sehr aufschlussreich und lehrreich und ich konnte daraus viel mitnehmen. Persönlich hat das Austauschsemester mein europäisches Gemeinschaftsgefühl sowie meine Toleranz und Offenheit gefördert (auch wenn das abgedroschen klingen mag) und ich bin froh, in diesem Semester so vielfältige und unterschiedliche Personen und Kulturen kennengelernt zu haben. Ich habe Amsterdam wirklich lieben gelernt und würde am liebsten die Zeit zurückdrehen. Insofern kann ich guten Gewissens jedem ein Austauschsemester in Amsterdam empfehlen!