Erfahrungsbericht zum Auslandssemester 

Lissabon, Wintersemester 2018/2019 (Master)

Vorbereitung

Die Vorbereitungen für ein Auslandssemester an der Faculdade de Psicologia der Universidade de Lisboa sind unkompliziert und, wie für das Erasmus-Programm üblich, ohne hohen Aufwand zu bewältigen. Die Erasmus Koordination der Gastuniversität ist dabei sehr hilfreich und steht den Austauschstudierenden mit wichtigen Informationen und Tipps zur Seite, sodass man vorab per Mail schon einige Fragen bezüglich des Learning Agreements, der Unterkunft oder bezüglich Sprachkursen klären kann. Letzteres ist unbedingt vor Universitätsbeginn zu empfehlen. Ich hatte bereits Vorkenntnisse der portugiesischen Sprache und kurz vor Abreise in Deutschland noch einen Intensivkurs belegt (Heidelberger Pädagogium). Während des Semesters habe ich dann noch einen Sprachkurs an der Faculdade de Letras am Instituto de Cultura e Lingua Portuguesa (ILCP) (2x wöchentlich) belegt, der mir persönlich allerdings wenig gebracht hat, da die meisten Veranstaltungen auf portugiesisch waren und ich auf diese Weise schneller lernen konnte. Ich würde also eher einen Intensivkurs vor Ort vor Semesterbeginn zusätzlich empfehlen.

Vor Ort erschien mir die Erasmus Koordination und Organisation der Faculdade de Psicologia leider etwas chaotisch. So fand bspw. der Welcome-Day erst eine Woche nach eigentlichem Veranstaltungsbeginn statt, sodass man sich um Räumlichkeiten und Abläufe bereits selbstständig im Voraus kümmern musste. Hierfür sind die Facebook Gruppen der Fakultät hilfreich, (jedes Semester wird eine Gruppe für Erasmus-Studenten gegründet), hier geschieht letztendlich vieles aus Eigeninitiative von Austauschstudierenden. Theoretisch gibt es auch ein Mentoring Programm, das leider aber nur bedingt funktioniert hatte. Viele hatten keinen Mentor zugeteilt oder es kam zu keiner Kontaktaufnahme. Grundsätzlich gilt allerdings, dass die Portugiesen ausnahmslos hilfsbereit sind und jeder sich sehr um dein Anliegen kümmert, wenn man also einfach nachfragt wird einem auch weitergeholfen!

Unterkunft

Eine Unterkunft in Lissabon zu finden stellt einen vor eine weit größere Herausforderung als die restliche Erasmus-Organisation. Durch einen regelrechten Reise-Boom der letzten ca. fünf Jahren sind die Mieten mittlerweile auf deutsches Niveau, wenn nicht sogar höher, angestiegen. Als Folge ist es leider so, dass im Stadtzentrum und vor allem in den Altstadtvierteln (Alfama, Chiado, Graça, ...) fast nur noch Ausländer wohnen, da die Mietpreise mit einem Portugiesischen Gehalt kaum zu stemmen sind. Zudem ist der Andrang riesig. Ursprünglich wollte ich gerne in eine WG mit Portugiesen ziehen, um Sprache und Kultur besser kennen zu lernen, was sich allerdings als schwierig herausstellen sollte, da die meisten portugiesischen Studenten noch zu Hause wohnen oder sehr weit außerhalb. Hierfür hatte ich vor allem über idealista.pt und OLX.pt geschaut wobei ich empfehlen würde erst vor Ort zu suchen, da die Wohnungsbesichtigungen recht spontan sind und viele Vermieter ein Skype Interview ablehnen. Schlussendlich konnte ich eine sehr schöne Wohnung im großartigen Viertel Graça über OndaCity finden, eine kleinere Plattform, die ausschließlich an Austauschstudenten im fünf-Monatszyklus vermieten. Dadurch hatte ich dann mit zwei Deutschen und einer Holländerin gewohnt, was nicht das eigentliche Ziel war, wir uns aber super verstanden haben und auch keinerlei Probleme mit dem Vermieter hatten, was leider keine Selbstverständlichkeit ist. Gut zu wissen ist vielleicht noch, dass die meisten Häuser ­ vor allem die schönen Altbauten ­ nicht über eine Zentralheizung verfügen, sodass es, wird es draußen ungemütlich, in der Wohnung eisig kalt sein kann. Hier sollte man beim Vermieter unbedingt nach mobilen Heizstrahlern nachfragen oder sich mit Wärmflaschen und dicken Socken ausstatten. Ansonsten wohnen viele Studenten in Anjos oder Arroios.

Studium an der Gasthochschule

Die Faculdade de Psicologia befindet sich auf dem Campus Cidade Universitária, wo sich die meisten anderen Fakultäten sowie verschiedene Mensen (vegetarisch: Cantina Velha) ebenfalls befinden und gut ans öffentliche Metronetz angeschlossen ist. Ich hatte mich zu Beginn noch in einige Kurse, die nicht in meinem Learning Agreement standen reingesetzt, sodass ich besser herausfinden konnte, welchen Dozenten ich besser folgen konnte, von der sprachlichen Barriere her. Auch hier gilt, dass man einfach nachfragen sollte, da sich alle sehr verständnisvoll gezeigt haben, vor allem wenn man es auf Portugiesisch versuchte.

Eine Besonderheit (oder zumindest von Heidelberg abweichend) ist, dass jede Veranstaltung 2x wöchentlich stattfindet oder die Einheiten direkt hintereinander ca. 3-4h gehalten werden, was ich als sehr anstrengend empfand auch bzgl. der sprachlichen Konzentration. Grundsätzlich waren die Kurse so eingeteilt, dass zuerst der Dozent referierte (Theorie) und in der zweiten Hälfte (Praxis) Gruppenarbeiten (Präsentationen, Fallbeispiele) stattfanden. Zusätzlich musste immer eine schriftliche Ausarbeitung abgegeben und eine Prüfung am Ende abgelegt werden (schriftlich/ mündlich).

Ich hatte mich zusätzlich für zwei Kurse an der medizinischen Fakultät eingeschrieben, was ein hoher organisatorischer Aufwand war (inoffizielles Bewerbungsverfahren zur Zulassung der Kurse + anfängliche Verantwortungsdiffusion) sich aber aus meiner Perspektive voll und ganz gelohnt hatte. Die Kurse waren beide aus Interesse neurowissenschaftlichen Themen. Ich empfand es um einiges anspruchsvoller als die Veranstaltungen der psychologischen Fakultät, auch weil alle 3-4 Wochen eine Klausur geschrieben wurde, allerdings konnte ich sogar bei einem Sezierkurs (Gehirn) dabei sein, was eine tolle Erfahrung war.

Alltag & Freizeit

Der zuvor erwähnte Reiseboom in Lissabon kommt nicht irgendwo her. Lissabon ist eine großartige Stadt mit vielen bunten, kleinen Gassen, wunderschönen Gebäuden und vielen bunten, wilden Bars und alternativen Konzepten. Zudem passiert hier während der Sommermonate fast alles unter freiem Himmel (Konzerte, Flohmärkte, Salsaabende, Kino) und zudem auch einiges kostenlos, sodass man nie genug vom quirligen Nachtleben und der Kreativität bekommen kann. Die Lage direkt am Ozean und dazu das Wetter, das im Dezember/Januar bereits schon Frühlingstemperaturen hatte, machen es einem nicht gerade einfach auch bei 32°Grad den ganzen Tag in klimatisierte Universitätsräumen zu sitzen. Zudem ist die Freizeitgestaltung deutlich günstiger als die Wohnungsmieten zu vermuten lassen und auch das Erkunden des restlichen Landes (z.B. per Auto oder Bus) ist wirklich kostengünstig und sollte man sich nicht entgehen lassen! Sowohl die Algarve, als auch der Fishermen Trail, Porto und die Nationalparks im nördlichen Teil oder auch die Insel Madeira und die Azoren bieten spektakuläre Landschaften und Traumhafte Strände, die es einem nur schwer machen, wieder gehen zu wollen.

Fazit

Lissabon als Stadt als auch die Erfahrung an einer ausländischen Universität zu studieren, hatte sich meiner Meinung nach an jedem einzelnen Tag gelohnt und bietet wohl etwas für jeden Geschmack. Die portugiesische Lebensart, die Sonne und die Nähe zum Meer lassen den Alltag in besonderem Licht erscheinen sodass man gar nicht anders kann als Lissabon und Portugal besonders ins Herz zu schließen.