Erfahrungsbericht zum Auslandssemester
Warszawo (Warschau) 4EU+, Sommersemester 2024 (Master)
Da ich im Laufe meines Studiums unbedingt ein Auslandssemester erleben wollte, habe ich mich direkt mit Beginn des Masters informiert. Das war auch gut so, da die Fristen teilweise sehr früh sind und man ein Gutachten benötigt, was gar nicht so leicht ist, wenn man selbst neu an der Uni ist. Warschau war dabei meine erste Wahl. Ich hatte vor meinem Auslandssemester noch keinerlei Kontakt zu Mittel- und Osteuropa und wollte das unbedingt ändern. Daher entschied ich mich für Polen als Nachbarland von Deutschland. Auch die Kursauswahl überzeugte mich sehr. Aber dazu später mehr. Leider ist Warschau (noch) nicht sonderlich gefragt als Gastuniversität. Aber dadurch konnte ich mich darauf verlassen, den Platz zu erhalten und frühzeitig damit planen.
Allgemeine Informationen und Vorbereitung
Ich habe das Sommersemester in Warschau verbracht. Die Vorlesungszeit geht dabei von Mitte Februar bis Mitte Juni. Vorab finden noch Orientierungswochen statt, die vom ERASMUS Student Network (ESN) für alle Austauschstudierende organisiert werden. Für mich gab es einen glatten Übergang zwischen dem Studium in Heidelberg und dem Start in Warschau. Ich hatte freitags noch einen Kurs und saß am Montag im Zug nach Polen. Allerdings hatte ich im vorangegangenen Wintersemester in Heidelberg auch keine Klausuren zu absolvieren.
Bevor man im Zug sitzt, gibt es jedoch einige Sachen zu erledigen. Dabei wurde man aber immer gut von den ERASMUS-KoordinatorInnen in Heidelberg und Warschau sowie den internationalen Dezernaten begleitet. Wenn man seine Mails im Blick behält, kann da eigentlich nichts schief gehen. Besonders die beiden Koordinator*innen Frau Lorenz (Heidelberg) und Herr De Raad (Warschau) waren immer hilfsbereit, freundlich und gut zu erreichen.
Nach der Zusage musste ich mich offiziell bei der Gastuniversität anmelden. Dabei gibt man auch eine erste Kurswahl an. Das ist jedoch nur eine formale Sache und hat noch nichts mit der eigentlichen Kurswahl zu tun. Ich konnte dabei noch nicht die Kurse aus dem kommenden Sommersemester angeben und habe daher irgendwelche Kurse aus dem Wintersemester herausgesucht.
Bis es Zeit wurde, das Learning Agreement (LA) abzuschließen, lagen die Kurse für das Sommersemester vor. Ich habe das LA bereits vor der eigentlichen Kurswahl abgeschlossen, was aber unproblematisch war, da man (zumindest im Sommersemester) sehr gut einen Platz in den gewünschten Kursen bekommt.
In Vorbereitung auf das Semester gibt es zudem zwei Webinare der Universität Warschau, die einen mit allen wichtigen Informationen versorgen und auch nochmals offene Fragen beantworten. Außerdem wurde beim zweiten Webinar ein Link zu einer WhatsApp-Gruppe für alle Austauschstudierenden geteilt, die das ganze Semester über sehr aktiv war und einen mit Veranstaltungsinfos versorgte und auch vom ESN genutzt wurde. Aber keine Sorge, sollte man den Termin verpassen, der Link wird auch in der ersten Willkommensveranstaltung in Warschau vor Ort nochmals geteilt.
Universität und Kurswahl
Die Universität Warschau hat einen sehr guten Ruf und ist mit knapp 50000 Studierenden die größte Hochschule des Landes. So wie in Heidelberg kann man dort ungefähr alles studieren. Die Universität hat einen Hauptcampus in der Innenstadt, einen Nebencampus in Ochota und einige einzelne Gebäude. Die Psychologische Fakultät hat ein Einzelgebäude in der ul. Stawki, das etwas nördlich von Innenstadt und Hauptcampus liegt. In ein paar Jahren soll die Fakultät jedoch in einen Neubau umziehen. Zusätzlich hat die Universität eine große Bibliothek am Hauptcampus mit einem tollen Park und Dachgarten.
Da mein Auslandssemester mein letztes Mastersemester war, belegte ich nur 16 ECTS und schloss zusätzlich meine Masterarbeit ab. Die Psychologische Fakultät der Universität Warschau hat ein großes Angebot an englischsprachigen Kursen, da dort das Studium vollständig auf englisch absolviert werden kann. Daher hat man die Kurse später auch mit einer bunten Mischung aus Austauschstudierenden und regulären Studierenden zusammen. Im Kursverzeichnis auf der Website findet man alle wichtigen Informationen zu den jeweiligen Kursen (Inhalt, Termine, Voraussetzungen, Prüfungsleistungen) und man kann auch direkt einstellen, dass nur englischsprachige Kurse angezeigt werden.
Ich habe bei nahezu all meinen Kursen die Erfahrung gemacht, dass die Prüfungsleistungen am Ende weniger umfangreich ausfielen als zuvor angegeben. Jedoch ist es hier wichtig zu beachten, dass ich fast nur Seminare der Spezialisierungen belegte. Wie es sich bei größeren Vorlesungen verhält, kann ich also nicht beurteilen. Zudem sollte man unbedingt auf die einzelnen Termine der Veranstaltungen achten. Manche Veranstaltungen fanden jede Woche zu anderen Wochentagen und Uhrzeiten statt oder teilweise immer wieder einige Wochentage oder ganze Wochen am Stück. Auch beginnen manche Kurse erst in der zweiten Hälfte des Semesters. Man muss also etwas basteln, bis man einen Plan zusammengestellt hat, der keine oder nur sehr wenige Überschneidungen enthält.
Ich entschied mich für folgende Kurse:
Qualitative Research Methods (4 ECTS): Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine Einführung in Qualitative Forschungsmethoden. Dieser Kurs war definitiv mein aufwändigster. So mussten wir neben den Vorlesungsterminen ein eigenes qualitatives Forschungsprojekt in Kleingruppen konzipieren, durchführen, auswerten und am Ende im Rahmen einer „Postersession“ vorstellen. Zudem wurden noch Referate gehalten. Da ich die einzige Austauschstudierende in diesem Kurs war, fiel es mir etwas schwer, Anschluss zu finden. Jedoch fand ich in diesem Kurs die Dozentin am besten. Zofia Borska-Mądrzycka gestaltete den Kurs immer spannend, abwechslungsreich und seeeehr locker. Es war nicht ungewöhnlich, dass Gruppen Deadlines nicht einhielten. Trotz des Arbeitsaufwands kann ich den Kurs weiterempfehlen.
Introduction to Schema Therapy (2 ECTS): Dieser Kurs gefiel mir ebenfalls sehr gut. Leider fand er teilweise online statt. Er bietet einen guten Überblick zur Schematherapie und die Dozentin kommt selbst aus der Praxis und kann mit vielen Fallbeispielen aufwarten. Die Prüfungsleistung bestand aus einer open book Klausur mit MC- und einer handvoll offener Fragen, die sich mit der bereitgestellten Literatur gut beantworten ließen. Diesen Kurs kann ich weiterempfehlen.
Advances in Humanistic and Existential Therapy (2 ECTS): Ein weiterer Kurs, der ein spezifisches Therapiekonzept näher beleuchtete. Ich konnte leider mit dem Inhalt weniger anfangen als gedacht und der Dozent war teilweise schlecht zu verstehen. Zudem fielen zwei der vier Seminartermine aus und wurden durch Literaturarbeit nachgeholt. Die Prüfungsleistung bestand aus einer open book Klausur mit MC- und offenen Fragen. Zudem musste man ein kurzes Essay zu einem Video-Fallbeispiel schreiben, welches jedoch nicht benotet wurde. Generell würde ich diesen Kurs nicht weiterempfehlen.
Consumer Behaviour (4 ECTS): Bei diesem Blockseminar ging es um KonsumentInnenverhalten und ein wenig um rechtliche Aspekte wie Markenrechten (z.B. wann Täuschungen oder Fälschungen vorliegen). Es musste ein Gruppenreferat gehalten werden. Zudem gab es eine MC-Klausur, welche auf der angegebenen Literatur basierte. Da der Kurs eher oberflächlich war, kann ich ihn nicht weiterempfehlen.
Polish for complete beginners (4 ECTS): Neben den fachlichen Kursen belegte ich einen Polnischkurs, der zweimal pro Woche stattfand. In diesem Kurs habe ich die meisten FreundInnen gefunden. Die Atmosphäre war sehr locker und wir sind häufig nach dem Kurs noch zusammen Essen gegangen. Der Fokus lag vor allem auf dem Sprechen und Hören, weniger auf dem Schreiben, was aber gut zu den Anforderungen im Auslandssemester passte. Es fanden drei kurze Tests im Laufe des Semesters statt, wobei der letzte den gesamten Stoff des Semesters umfasste. Diesen Kurs kann ich definitiv empfehlen. Für alle Unentschlossenen ist es zudem vielleicht auch ein Anreiz, dass man für einen polnischen Kurs nach Wahl keine Gebühren zahlen muss. Diese werden vom Polonicum organisiert und veranstaltet, welches sich ganz der Vermittlung der polnischen Sprache und Kultur verschrieben hat. Diese Kurse finden zudem am Hauptcampus der Universität statt.
Zusammenfassend war ich mit meiner Kursauswahl zufrieden. Den Arbeitsaufwand schätze ich ähnlich zu Heidelberg ein, jedoch habe ich das inhaltliche Niveau als einfacher und häufig oberflächlicher empfunden. Generell ist noch zu sagen, dass man je Veranstaltung einmal entschuldigt und einmal unentschuldigt fehlen darf, die Dozierenden diese Regel jedoch unterschiedlich streng auslegen.
Tipps für Sparfüchse I
Die Universität Warschau erlaubt Austauschstudierenden kostenlos einen Sportkurs, einen Polnischkurs, einen Kurs einer weiteren Fremdsprache zu belegen.
Hier gilt es jedoch, sich schnell zu entscheiden, da die meisten dieser Kurse bereits vor Beginn des Semesters ausgebucht sind. Es empfiehlt sich also, sich früh zu informieren und die Freischaltungstermine im Auge zu behalten. Zudem handelt es sich hierbei um die einzigen Kurse, die wir als Psychologiestudierende auf der offiziellen Kursanmeldeseite vornehmen müssen.
Wohnungssuche
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Wohnungssuche anzugehen, und jede und jeder muss dabei für sich entscheiden, womit man sich am wohlsten fühlt. Zur Auswahl stehen: Facebook-Gruppen: Dazu habe ich leider gar nichts mitbekommen, aber es gibt wohl einige Gruppen und einen großen Wohnungsmarkt von und für Studierende. Die ERASMUS-WhatsApp-Gruppe: Wer spontan ist, kann auch dort, nach der Aufnahme in die Gruppe, immer wieder Angebote finden. Pepe-Housing: Die wohl einfachste und sicherste, aber auch teuerste Option. Auf dieser Website kann man, ähnlich zu AirBnB ein Zimmer tagegenau buchen. Das hat jedoch seinen Preis und es lohnt sich früh dran zu sein, da die besten Angebote schnell weg sind. Studierendenwohnheime: Die Universität Warschau verfügt über eine Vielzahl von Studierendenwohnheimen, die über die ganze Stadt verteilt sind. Die Preise sind hier natürlich unschlagbar. Wenn ihr hier Interesse habt, kann man bei der Anmeldung an der Universität angeben, dass man einen Wohnheimsplatz zugewiesen bekommen möchte. Zugewiesen bedeutet aber auch genau das. Man kann keine Präferenzen angeben und neben Einzelzimmern werden viele Studierende auch in Doppelzimmern (zwei Betten in einem Raum) untergebracht. Hier habe ich unterschiedliche Dinge gehört. Manche waren sehr zufrieden, andere leider so gar nicht. OXL.pl: Über diese Website habe ich mein Zimmer gefunden. Dabei handelt es sich um eine Website ähnlich zu e...kleinanzeigen auf der man neben Zimmern auch alles mögliche andere kaufen kann. Die Anzeigen sind größtenteils auf polnisch, jedoch ist das mit Hilfe eines online Übersetzers kein Problem. Aber natürlich ist es etwas Arbeit. Ich habe mich für diese Version entschieden, da ich gerne mit Locals in einer WG wohnen wollte. Nach 2 Wochen intensiver Suche und leider auch vielen Anfragen, die ins Leere gelaufen sind, hatte ich dann Anfang Januar tatsächlich drei Angebote zur Auswahl. Zu meinen persönlichen Erfahrungen gleich mehr.
Worauf bei Wohnungen allgemein achten:
Egal für was ihr euch entscheidet, gibt es einige Aspekte bei der Wohnungssuche und -auswahl zu beachten:
Das Viertel: Warschau gliedert sich in östlich und westlich der Weichsel. Da alle Unigebäude westlich der Weichsel liegen, würde ich euch empfehlen diese Stadtteile ins Auge zu fassen. Besonders beliebt sind dabei
Muranów: Hier befindet sich die Psychologische Fakultät und man ist dennoch nah am alten Stadtzentrum (Stary Miasto) und dem neuen Stadtzentrum (Śródmieście).
Mokotów: Dieses Viertel befindet sich auf der anderen Seite des neuen Stadtzentrums und ist bekannt für seine vielen Expats und Botschaften. Besonders das alte Mokotów ist zu empfehlen.
Ochota: Schließt direkt an Mokotów an.
Śródmieście (das neue Stadtzentrum): Hier befindet sich der Hauptbahnhof (Warszawa Centralna), der Kulturpalast, der Hauptcampus …
Wola: Hier habe ich meine Zeit verlebt. Dieses Viertel schließt westlich an das Stadtzentrum an und ist besonders am Übergang zum Stadtzentrum zu empfehlen, da es über eine tolle öffentliche Anbindung verfügt.
Die Mieten liegen etwas unter dem Heidelberger Niveau und bewegen sich meist zwischen 1500 zł und 2000 zł. Dabei sind 1-2 Monatsmieten als Kaution üblich. Etwas kniffelig ist es bei vielen Angeboten, dass diese gerne für ein ganzes Semester vermietet werden, was für das Sommersemester die anschließende vorlesungsfreie Zeit umfasst.
Allgemein ist es zu empfehlen, einen Blick auf die Stadtteile zu werfen und mal die Verbindung mit den Öffis zu Hauptbahnhof, Altstadt, Hauptcampus und psychologischer Fakultät zu prüfen. Guckt dabei unbedingt auch für die Zeit nach Mitternacht, da dann nur noch Nachtbusse mit anderen Routen fahren. Und wenn alles zu viel und die Auswahl schwierig ist: Mir wurde von WarschauerInnen gesagt, dass der Wohnort gar nicht so wichtig ist, solange man eine der beiden Metrolinien in der Nähe hat.
Meine Erfahrung: Wie bereits erwähnt, hatte ich mich für ein Zimmer in Wola am Übergang zum Stadtzentrum entschieden. Mit der Lage war ich sehr zufrieden. Allerdings habe ich feststellen müssen, dass es in polnischen WGs anders zuzugehen scheint als in deutschen. Hier sucht der/die VermieterIn alleine aus, wer das freie Zimmer bekommt und es herrscht nur wenig Kontakt unter den MitbewohnerInnen. Wenn man also nicht gerade mit FreundInnen zusammenzieht, wird man nur wenig Kontakt zu seinen polnischen Mitbewohnis haben. Nicht umsonst wird besonders gerne bei den Anzeigen damit geworben, dass die Zimmer abschließbar sind. Im Nachhinein würde ich also eher zu einer gemischten WG mit verschiedenen kulturellen Hintergründen tendieren. Ich habe jedoch auch so sehr gut Anschluss gefunden, nur eben außerhalb der WG.
Ankommen in Warschau
Ich bin von Mannheim aus mit dem Zug nach Warschau angereist. Dabei fährt man ca. 12 Stunden und muss nur einmal in Berlin umsteigen. Der Berlin-Warschau-Express fährt alle 2 Stunden und enthält, wie alle Fernzüge in Polen, eine Sitzplatzreservierung. Vom Warschauer Hauptbahnhof kommt man gut in alle Teile der Stadt. Es gibt aber auch zwei Flughäfen in Warschau, die man nutzen kann.
Eine Woche vor Vorlesungsstart sowie in der ersten Vorlesungswoche finden Einführungsveranstaltungen des ESN statt und man hat Zeit sich um die Formalitäten, wie die Abholung des Studierendenausweises, zu kümmern. Besonders den Studierendenausweis sollte man möglichst früh abholen, da man erst dann die Studirabatte nutzen kann und diese Karte auch genutzt wird für die Monats- und 3-Monatstickets des öffentlichen Nahverkehrs. Zudem gibt es in der Woche vor Vorlesungsbeginn eine Willkommensveranstaltung des International Office, in welchem sich die Verantwortlichen vorstellen, ein wenig von der Uni und ihren Angeboten erzählen und man auch schon mal gut Kontakte knüpfen kann. (Ich habe dort mein Grüppchen kennengelernt, mit dem ich das ganze Semester verbracht habe.) Einen Intensiv-Polnischkurs wie vor dem Wintersemester gibt es vor dem Sommersemester leider nicht.
Zusätzlich bietet das ESN ein Buddy-Programm an, bei dem man sich vor Semesterbeginn anmelden kann und dann jemanden zugeteilt bekommt. Ich habe mich mit meiner Buddy nur zu Beginn des Semesters zweimal getroffen, dennoch empfehle ich allen, sich dort anzumelden. Zum einen habe ich in meiner ersten Woche in Warschau meinen Personalausweis verloren und hätte den Prozess mit Polizei und Botschaft ohne meine Buddy deutlich schlechter gemeistert und zum anderen hat sie mich Bekannten vorgestellt, mit denen ich mich im Laufe des Semesters angefreundet habe.
Bezüglich SIM-Karte und Finanzen war es aus deutscher Perspektive sehr einfach. Da es seit Jahren keine EU-Roaming-Gebühren mehr gibt, habe ich meinen deutschen Handyvertrag einfach weiterlaufen lassen. Auch um den Geldwechsel muss man sich keine großen Gedanken machen. Bezahlen kann man in Polen (fast) alles mit Kreditkarte – selbst auf dem Wochenmarkt. Manche ESN-Veranstaltungen muss man jedoch in bar bezahlen und auch sonst schadet es nicht, ein paar Złoty zur Hand zu haben.
Freizeit
Warschau hat als Hauptstadt eine große Vielfalt an Partys, Kultur, Geschichte und allem anderen zu bieten. Besonders empfehlen kann ich Veranstaltungen des ESN (Tages- und Wochenendausflüge in andere polnische Städte und angrenzende Länder). Ich habe aber auch die ein oder andere Stadtführung mitgemacht und den Kampinos National Park besucht, der direkt an Warschau angrenzt und gut mit Straßenbahn und Bus erreichbar ist. Besonders im Sommersemester lassen sich die Tage aber auch gut am Strand verbringen, welcher mitten in der Stadt an der Weichsel liegt oder im Łazienki-Park. Es gibt zahlreiche Cafés zu entdecken sowie kostenlose Konzerte (dazu später mehr), Museen und Foodmarkets. Das Polonicum bietet zudem einmal monatlich das Format „Polish Films for Foreigners“ an, bei dem im Kino ein polnischer Film mit englischen Untertiteln gezeigt wird und zudem SchauspielerInnen, RegisseurInnen oder andere an der Produktion beteiligte Personen eingeladen werden.
Doch wie überall dort hinkommen? Für den Nahverkehr gelten vergünstigte Preise für Studierende. Ich würde jedoch nicht versuchen, diese bereits mit dem Heidelberger Ausweis zu nutzen, da ausländische Studierendenausweise nur selten anerkannt werden und es im Ermessen der KontrolleurInnen liegt. Sobald man den polnischen Ausweis hat, kann man diesen jedoch unkompliziert an Automaten in den Metrostationen mit den 1- oder 3-Monatstickets aufladen. Hierbei genügt die Zone 1. Ich bin nie bis Zone 2 gekommen, da selbst der eine Stunde entfernte Nationalpark noch in Zone 1 liegt. Für Kurzzeittickets und den Fahrplan kann ich die App jakdojade empfehlen. Dabei werden die Tickets in der App gekauft und dann mittels eines QR-Codes in den Öffis validiert. Generell sind Metro, Straßenbahn und Busse sehr pünktlich und fahren gerne auch mal 1-2 Minuten früher ab als auf den Fahrplänen und in den Apps angegeben. Möchte man andere Städte besuchen, geht dies sehr gut mit den polnischen Schnellzügen. Hier bekommt man mit einem polnischen Studierendenausweis 51% Rabatt. Die Züge lassen sich, anders als in Deutschland, häufig erst 1-2 Monate im Voraus buchen.
Tipps für Sparfüchse II
In Warschau kann man eine Menge erleben, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen:
Museen: Alle nationalen Museen haben einen Tag pro Woche freien Eintritt. Meistens ist das der Donnerstag. Aber wenn man will, könnte man wahrscheinlich auch über Monate jeden Tag kostenlos ein anderes Museum besuchen. Meine liebsten Museen waren das Polin, das Museum des Warsaw Uprising und das Fotoplastikon (was zufällig bei meinem Besuch Bilder meiner Heimatstadt zeigte).
Konzerte: Von Mai bis September gibt es jeden Sonntag um 12 Uhr und 16 Uhr kostenlose Chopin-Konzerte im Łazienki-Park. Dabei spielen Europa- und teils weltweit bekannte Pianist*innen während man selbst ganz gemütlich auf einer Decke im Gras sitzt. Chopin studierte in Warschau und die Stadt ist sehr mit ihm verbunden. Wenn man etwas ganz Besonderes erleben möchte, empfehle ich zum Auftaktkonzert zu gehen. Dort gibt es nicht nur einen Flügel, sondern gleich ein ganzes Orchester. Zudem gibt es im Juli ein Jazz-Festival mit kostenlosen Konzerten am Marktplatz mit wunderschöner Kulisse. Und last but not least: Ebenfalls von Mai bis September wird jeden Freitag und Samstag bei Einbruch der Dunkelheit im Multimedialny Park Fontann eine Multi-Media-Fountain-Show geboten. Dabei nimmt die Stadt sich jedes Jahr ein neues Thema vor. In meinem Jahr (2024) war es ABBA.
Sport: Die Stadt bietet viele Parks und kostenlose Sportanlagen. Ein besonderes Highlight ist der Wassergraben des Ford Bema in dem man gratis Kajak fahren kann.
Noc Muzeów: Die Nacht der Museen findet jedes Frühjahr statt und hält viele tolle Veranstaltungen bereit (über 200!). Ich habe in dieser Nacht das Sejm (polnische Parlament), eine Kulturveranstaltung mit Tanz und Gesang und einen Zeitzeugenbericht eines Überlebenden des Warsaw Uprising besucht.
Fazit
Ich habe meine Zeit in Warschau sehr genossen und sie ging vorüber wie im Flug. Ich habe tolle FreundInnen gefunden und viel über ein Land gelernt, zu dem ich zuvor noch nichts wusste. Die Kultur Polens hat mich beeindruckt und seine Geschichte während des zweiten Weltkriegs erschüttert. Ich kann allen empfehlen, es zu wagen das ERASMUS in Mittel- und Osteuropa zu verbringen und Land und Leuten eine Chance zu geben. Ihr werdet überrascht werden von Humor, der so schwarz ist wie der deutsche, öffentlichem Nahverkehr, der besser funktioniert als in Berlin, einer Sprache, die einem Freude bereitet und gleichzeitig zur Verzweiflung treibt, Pierogi und anderen Köstlichkeiten soweit das Auge reicht und tollen Freundschaften. Und wenn ihr vor dem Kulturpalast, auf dem Marktplatz oder am Strand steht, grüßt die Stadt von mir.