Erfahrungsbericht zum Auslandssemester in Kopenhagen

Kopenhagen 4EU+, Sommersemester 2024 (Bachelor)

Anreise

Ich bin mit der DB über Hamburg gefahren und habe mein Fahrrad mitgenommen. Dementsprechend konnte ich nicht mit dem IC direkt von Hamburg nach CPH fahren, sondern musste nochmal in Flensburg und St. Frederica umsteigen. Insgesamt war ich, Verspätungen eingerechnet, über 12h unterwegs, würde es aber immer wieder so machen.

Fortbewegung

Das Fahrrad ist Verkehrsmittel Nummer 1 und das Fahrradfahren durch die Radkultur und die ausgebauten Fahrradwege ein ganz anderes Erlebnis als in Deutschland. Viele haben sich in CPH Räder von Swapfiets geliehen, deren Monatsmiete erschwinglich ist (Reparatur inklusive). Ansonsten ist Donkey Republic ein guter Anbieter, wenn man bspw. Besuch hat, der nur für ein paar Tage Räder braucht. Manche haben sich auch ein Fahrrad über DBA (das dänische Ebay) gekauft.

Die Dänen und Däninnen sind stolz auf ihre Metro, die allerdings recht teuer ist (3,23€ für ein Einzelticket). Anfangs muss man sich mit den verschiedenen Zonen vertraut machen, da bspw. der Flughafen in einer anderen Zone (und damit Preisklasse) liegt. Die meisten besorgen sich eine ,,Rejsekort“, die einmalig 10 Euro kostet und auf die man Geld laden kann (mindestens 10 Euro). Hiermit erhält man Rabatt auf die Tickets, wenn man außerhalb der Rush Hour unterwegs ist.

Wohnen

Von der Universität Kopenhagen heißt es, alle Erasmus-Studierende würden einen Wohnheimsplatz von der Housing Foundation angeboten bekommen. Diese Erfahrung habe ich auch gemacht, nur sollte man am Tag der Vergabe schnell sein, wenn man in ein bestimmtes Wohnheim möchte, denn es gilt ,,first come, first serve“. Man bekommt an diesem Tag einen Link zugeschickt und sieht auf dem Portal anschliessend die zur Verfügung stehenden Zimmer. Allerdings werden diese gestaffelt hochgeladen, sodass man auch noch ein paar Stunden später Angebote erhalten kann. Je nachdem, ob man zum regulären Semesterbeginn (Februar) oder früher (Januar) einziehen möchte, gibt es mehr oder weniger Angebote. Ich kam im Signalhuset Dormatory unter, was preislich mit Abstand am günstigsten war, allerdings immer noch über dem Standard in Deutschland liegt. Im Schnitt muss man mit Kosten von 500-1000€ für ein Zimmer rechnen. Das Signalhuset Wohnheim liegt ganz im Süden im neuen und unpersönlichen Stadtteil Ørestad. Zum Campus für Sozialwissenschaften in der Stadtmitte, wo auch die Psychologie ihren Platz hat, sind es ~30 Minuten mit dem Fahrrad. Andere beliebte Wohnheime waren ,,Mariendalsvej“ und ,,Basecamp City“. In allen Studierendenwohnheimen ist das Zusammenleben sehr international gestaltet, weshalb man schnell in Kontakt mit anderen kommt. Im Signalhuset wohnte ich mit drei internationalen Studierenden und einem Dänen zusammen; wir teilten uns eine Küche und zwei Bäder. Auf die Zimmerwahl in den Wohnheimen und seine Mitbewohner und Mitbewohnerinnen hat man keinen Einfluss. Es gibt aber auch Wohnheime mit Doppelzimmern oder Einzel- Apartments anstatt WGs. Insgesamt hat die Housing Foundation einen schlechten Ruf, besonders in Bezug auf die Kaution, allerdings habe ich meine glücklicherweise wiederbekommen. Mir wurde allerdings geraten, bei der Inspektion am Anfang selbst Fotos zu machen und Mängel, die man im Zimmer entdeckt, unverzüglich zu melden, um nicht dafür belangt zu werden.

Ummelden

Über die Universität wird man über die notwendigen Schritte informiert; der Aufwand hält sich in Grenzen. Man beantragt eine EU Residence Permit, muss einmal vor Ort (SIRI) vorbeischauen, um eine CPR-Nummer (Sozialversicherungsnummer; zum Eröffnen eines dänischen Kontos optional auch MitID) zu beantragen, die man bspw. für Arztbesuche, einen Sprachkurs oder fürs Fitnessstudio braucht. Abmelden braucht man sich nicht und selbst die CPR-Nummer ist bei unter sechs Monaten Aufenthalt nicht verpflichtend, wenngleich sinnvoll (so wurde es mir zumindest gesagt).

Universität

Ich habe vor dem eigentlichen Semesterbeginn im Januar drei Wochen lang den ,,Pre- Semester-Kurs“ belegt, in dem ich täglich Vorlesungen zur Geschichte Dänemarks und einen Dänisch-Sprachkurs besuchte und der mir am Ende mit 7.5 ECTS angerechnet wurde. Beides war sehr gut strukturiert und von engagierten Dozierenden, Sprachlehrern und Sprachlehrerinnen durchgeführt. Für mich war es eine tolle Möglichkeit, direkt zu Beginn das Land, die Kultur und die Sprache besser kennenzulernen und mit Menschen außerhalb meines Studiengangs in Kontakt zu treten. Die Ausflüge waren auch sehr eindrucksvoll (wir besichtigten den Dom und das Wikingerschiffsmuseum in Roskilde, machten eine historische Bootstour und schauten uns Sehenswürdigkeiten in der Innenstadt an). Allerdings überschneiden sich die Zeiten des Kurses mit dem Semester in Heidelberg, was das Belegen von Seminaren/ Vorlesungen im Wintersemester erschwert. Als Abschluss musste man ein zweiseitiges Essay schreiben, was aber sehr machbar ist, wenn man sich ein paar Stunden Zeit nimmt.

Auch unter dem Semester hätte man die Wahl gehabt, extern einen Sprachkurs zu belegen, doch die hohen Kosten haben mich abgeschreckt (es handelt sich hierbei allerdings um eine Art Kaution, die man nach Bestehen des Tests am Ende zurückerhält). Mit Englisch kommt man aber problemlos überall zurecht. Zu Beginn des eigentlichen Semesters fand am 31. Januar ein Eröffnungstag der Fakultät statt, bei dem man über alles Wichtige Organisatorische informiert wurde und eine Führung über den Campus bekam. Auch unter dem Semester bot die Fachschaft mehrere Mentor-Tage mit Aktivitäten an. Die Fakultät ist in einem ehemaligen Krankenhaus untergebracht und sehr zentral in der Innenstadt gegenüber vom botanischen Garten gelegen. Im Innenhof kann man schön sitzen und es gibt einige studentische Cafés und eine Mensa auf dem Gelände.

Während des Semesters belegte ich drei Kurse: “work & organizational psychology“, “brain & cognitive development“ und “culture psychology“ à 7.5 ECTS. Alle drei Seminare waren auf Englisch, von denen es nicht allzu viele in Psychologie gibt. Ersteres war ein A&O-Seminar, das inhaltlich etwas langweilig war, viele Präsentationen in der Stunde beinhaltete und zwei Abgaben erforderte. Dafür war der Dozent sehr engagiert. Das zweite Seminar war aus der Entwicklungspsychologie für Säuglinge und Kleinkinder und behandelte jede Stunde ein anderes Unterthema zur kognitiven Entwicklung. Allerdings war das Seminar eher im Stil einer Vorlesung gehalten und durch den vielen Stoff sehr ermüdend und monoton. Als Abgabe war eine Hausarbeit zu einem von zwei Essay-Fragen gefordert. Das Seminar zu Kulturpsychologie war sehr spannend, lehrreich und interaktiv gestaltet, allerdings war die Seminargröße ziemlich gross und die Endabgabe als Gruppenarbeit gestaltet. Viele belegten neben Kursen in der Psychologie auch Kurse der Humanwissenschaften oder “elective courses“, die Ähnlichkeiten zum Pre-Semester- Kurs hatten.

Insgesamt herrschen an der Universität (und auch sonst überall) sehr flache Hierarchien. Es ist üblich, dass man seine Dozierenden duzt (im Dänischen wird das ,,Sie“ nur für die Königsfamilie genutzt), was den Umgang angenehm macht. Der Arbeitsaufwand in den Seminaren war vergleichbar zu denen in Heidelberg. Meist musste man Paper lesen, um sich auf die Stunde vorzubereiten und auch in den Abgaben war oft ein Mindestmaß an geforderten, gelesenen Papern angegeben. All meine Abgaben waren bereits Anfang Mai bis Anfang Juni fertig, sodass ich danach noch Zeit zum Reisen hatte. Die Benotung geht von -3 bis 12 (wovon 12 die beste Note ist), wobei die Übertragung ins deutsche System oft unglücklich ist, da jede zweite Teilnote im Deutschen (z. B. 1.3) übersprungen wird.

Stadt und Leben

Kopenhagen ist eine großartige Stadt, die ihren Ruf als zweit-lebenswerteste Stadt definitiv verdient. Ich habe mich besonders in die Architektur und ihr süßes Gebäck verliebt. Hier sind Aktivitäten/ Orte, die ich wärmstens empfehlen kann:

  • An Events von ESN (Erasmus Student Network) teilnehmen. Gut, um neue Orte und Menschen kennenzulernen (z. B. Wandern, Sauna, Stadtführungen etc.)
  • Am Book Club vom Studenterhuset teilnehmen, der in der alten Bibliothek der Uni stattfindet, für die man normalerweise Eintritt zahlen muss
  • Free Walking Tour durch die Stadt/ Christiania oder eine Bootstour ab Nyhavn machen
  • Kirchen: Marmorkirken (größte Kuppel Dänemarks) vor Frelsers Kirke (auf den Turm laufen), Grundtvigskirke (architektonisch sehenswert), Holmens Kirke (Kirche der Seefahrer), Christiansborg Slotskirke (nur sonntags geöffnet)
  • Wechsel der königlichen Garde täglich um 12 Uhr vorm Amalienborg Schloss
  • Einem Run Club beitreten, z. B. Amagerfælled Park Run (jeden Samstag um 9 Uhr)/ Nørrebro Run Club um die Lakes. Man kann immer flexibel und kostenfrei dazustoßen; oft geht es danach noch in eine Bar
  • Rüber nach Schweden fahren (Malmö, Lund), z.B. zur Walpurgis-Nacht, dem Nationalfeiertag oder zu Midsommar
  • Second-Hand-Laden: Lelop in Ørestad
  • Spielecafé: Bastards (große Empfehlung)
  • Beim Amager Feld den Sonnenuntergang auf den Hügeln anschauen oder grillen/ Lagerfeuer machen
  • Baden gehen bei Islands Brygge, Kalvebod Bølge, Nordhavn Bassin, La Banchina, Badezone Byskoven oder Kastrup Søbad
  • Besuch der Müllverbrennungsanlage: Kostenfrei hoch zum Café fahren/ laufen (vom Aufzug aus sieht man ins Innere der Anlage) oder eine Stunde snowboarden/ Ski fahren. Manchmal finden sogar Events statt
  • Im Sommer: Reffen Food Market
  • Auf die Suche gehen nach den six forgotten giants im Umland (verbinden mit einem Fahrradausflug)
  • Tagesausflug nach Dragør machen (Hafen, Festung, Baden gehen)
  • Lamas besuchen bei Sydhavnstippen
  • Boot fahren auf den Lakes
  • Kostenloser Eintritt am letzten Mittwoch des Monats in der Carlsberg Glyptotek, Museum of CPH & Thorvaldsen Museum
  • Weitere sehenswerte Museen: ARKEN Museum, Dänische Königliche Bibliothek (den alten Lesesaal anschauen oder dort lernen), Dansk Arkitektur Center, SMK (hat manchmal freie Freitage), Ordrupgaard, Danish Design Museum, Rosenborg Schloss, Cisternerne, Louisiana. Es gibt auch eine Museumskarte (K-7), die sich lohnt (Vorsicht: Abo-Modell)
  • Führung durchs Parlament buchen & hoch auf den Schlossturm von Christiansborg (kostenlos)
  • Absalon: Eine umfunktionierte Kirche, in der man gemeinschaftlich, preiswert und sehr lecker zu Abend essen kann, Yoga-, Tanz-, Töpferkurse und vieles mehr belegen kann. Auch sonst ein schöner Ort zum Treffen
  • Studenterhuset: studentisches Café mit vergleichsweise preiswertem Café. Es gibt auch (ähnlich wie bei Absalon) gemeinschaftliche Abendessen und andere angebotene gemeinschaftliche Aktivitäten (s. Buch-Club)
  • Ein Konzert im Konservatoriets Koncertsal besuchen, eine Führung durch das Königliche Theater machen oder die Oper besuchen
  • Friday Bars an den Campi der Uni für preiswertes Bier/Getränke testen
  • Bouldern gehen bei Beta Boulders/ günstig schwimmen gehen im Sundby Bad
  • Im 1. Stock des Old Irish Pubs kann man kostenlos Salsa tanzen. Es gibt zunächst einen Crash-Kurs und danach freies Tanzen
  • Nehmt die jährlichen Festivals mit: Film-Festival, Sakura-Festival, Distortion, Festival of Lights
  • Weitere sehenswerte Orte: das Kastell, Rosenborg & Frederiksberg Schlossgarten, Rundetarn (gute Sicht, ältestes funktionierendes Observatorium Europas), Ismageriet Eisdiele im Meatpacking District oder am Südcampus, Enghave Plads (viele süße Cafés), HAY House (bekannter Einrichtungsladen), Studio Arhoj (Töpferei & süßes, teures Geschirr), Superkilen Park (Städtebauprojekt), Rathaus, BaneGaarden (alternativer Hof mit Restaurants, Flohmarkt und Cafés), Carlsberg City (nach dem Gründer der Carlsberg-Brauerei), Lernen im PANUM Gebäude
  • Bars/Cafés/Restaurants: Pico Pizza, Corsa Pizza, Cholon, Barkowski, Torvehallerne (Markthallen), BRUS (bieten regelmäßig Pubquizze an), Bæst, Ø12 Coffee and Eatery, Isola di Lampedusa, Gasoline Grill, Falafel Factory, Democracy Garage/Flere Fugle, Format Café, Spaghetteria la Perla, Rævens Bar, Jazzbar La Fontaine (z. T. Kostenlose Auftritte), Heimdalsgade 22, et cetera, Nihao YAO
  • Bäckereien: Andersen, Hart, den lille Bageri, Juno, BUKA, Skt. Peders Bageri (älteste Bäckerei Kopenhagens)
  • Das Mensaessen ist erschwinglich und super lecker. Am Südcampus gibt es von 13:40-14:00 Uhr 50 % aufs Essen. Dort wird donnerstags außerdem ein social dinner angeboten.
  • Fastelavsnboller in der Faschingszeit essen und den besten Krapfen finden. Ansonsten natürlich Zimt- und Kardamomschnecken essen
  • TooGoodtogo ausnutzen, um Essen zu retten bzw. günstiger zu kaufen

Ein weiterer Tipp: Legt euch eine Bankkarte zu, bei der man keine Umrechnungsgebühren zahlen muss. Die meisten hatten Revolut. Bargeld braucht man höchstens auf Flohmärkten. Viele Dänen und Däninnen benutzen hierfür Mobile Pay, wofür man allerdings ein dänisches Konto braucht.

Nehmt ansonsten genügend warme Klamotten und Regensachen mit, denn man unterschätzt den starken Wind und die gefühlte, weitaus niedrigere Temperatur im Winter/Frühling.

Was mich überrascht hat, waren die vielen Heidelberger und Heidelbergerinnen, die ich kennengelernt habe sowie all die anderen deutschen Erasmus-Studierenden. Wie sonst auch überall muss man sich anstrengen, darüber hinaus auch mit Einheimischen in Kontakt zu kommen. Eine schöne Gelegenheit bot sich mir beim Running Dinner, das wir im Wohnheim veranstalteten.

Was man zuletzt nicht unterschätzen sollte, sind die hohen Lebenskosten, besonders gepaart durch die Kürzung des Erasmus-Geldes auf drei Monate.

Fazit

Ich glaube, die laaange Liste an Empfehlungen spricht für sich…ich habe das Sommersemester sehr genossen und versucht, so viel wie möglich mitzunehmen aus dieser wunderschönen Stadt. Ich denke, es ist mir gelungen und ich bin wahnsinnig dankbar, diese tolle Erfahrung gemacht haben zu dürfen. København, vi ses!