Erfahrungsbericht zum Auslandssemester
Kopenhagen 4EU+, Wintersemester 2023/2024 (Bachelor)
Vorbereitungen und Ankunft
Ich bin für mein Erasmus-Semester im Wintersemester 2023/24 nach Kopenhagen, Dänemark gegangen. Beworben habe ich mich im Januar 2023, die Zusage kam dann im April. In den darauffolgenden Wochen kamen nach und nach Informationen von der University of Copenhagen an, z.B. bezüglich der Wohnungssuche oder Kurswahl. Ich entschied mich dagegen, am Pre-Semester-Culture-Course teilzunehmen und machte mich somit erst (oder schon) Ende August auf den Weg in den Norden. Die Semesterzeiten sind internationale und damit abweichend zu den aus Deutschland gewohnten. Das Wintersemester beginnt bereits Anfang September und endet im Januar. Ich entschied mich dazu, mit dem Zug über Hamburg zu fahren, was sehr gut machbar war. Vor Semesterbeginn fanden von der Social Science Fakultät Willkommenstage für internationale Studierende statt, in denen wir über zwei Vormittage Informationen zum Leben in Dänemark, zur Universität und zum Campus bekamen und vor allem ersten Anschluss finden konnten. Dort habe ich Kommilitonen kennengelernt, mit denen ich dann über das gesamt Semester hinweg (und darüber hinaus) Freundschaften schließen konnte. Die Teilnahme an dieser Veranstaltung würde ich also jedem empfehlen!
Wohnen
Meine Vorstellungen einer angemessenen WG-Zimmer-Miete musste ich in Kopenhagen anpassen. Gerechnet werden muss realistischerweise mit 600-1000€. Als Internationals bekamen wir die Möglichkeit, über die „Housing Foundation“ an Zimmer zu kommen. Die haben in verschiedenen Wohnheimen Zimmer angemietet, die sie ausschließlich an internationale Studierende vermieten. Der Preis liegt dabei meist leicht über dem regulären Marktpreis, dafür ist es eine recht sichere Option, Wohnraum zu finden. Die Informationen über das Vergabeverfahren bekam ich automatisch von denen aus. Es gab dann einen Tag, an dem alle einen Link bekamen und versuchen konnten, eins der Zimmer zu ergattern. Das war ziemlich stressig, da man ewig lange in der Warteschlange hing und der Server überlastet war. Im Endeffekt kenne ich allerdings keinen, der darüber kein Zimmer bekommen hat. Man sollte sich nur darauf einstellen, nicht unbedingt sein Lieblingswohnheim zu bekommen oder im Zweifel das Zimmer ab einem Monat vor Einzug zu mieten. Seine Mitbewohner kann man sich über das System leider auch nicht aussuchen. Ich bin schlussendlich in einer Vierer-WG im Signalhuset gelandet, einem recht modernen Wohnheim im Süden der Stadt. Die Lage war leider nicht optimal, man brauchte ca. 30 Minuten in die Innenstadt, daran konnte man sich aber gewöhnen. Direkt über die Straße ist das größte Einkaufszentrum Dänemarks, was viele Vorteile mit sich brachte. Ich konnte auch ein paar nette Joggingrouten in der Gegend ausfindig machen. Ich würde dennoch eines der zentraleren Wohnheime empfehlen, wenngleich diese meist ein bisschen teurer sind. Normalerweise mietet die Housing-Foundation ganze Wohnungen an, was dazu führt, dass man eher mit Menschen aus anderen Ländern zusammenwohnt als mit Dänen. Eine meiner Mitbewohnerinnen war tatsächlich Dänin, das ist aber eher die Ausnahme.
Transport
Kopenhagen gilt als eine der Fahrradstädte schlechthin und diesen Ruf trägt sie auch zurecht. Ich würde jedem empfehlen, ein Fahrrad dort zu kaufen oder zu mieten. Ich (und viele meiner Freunde) hatten ein Fahrrad über Swapfiets gemietet, das pro Monat umgerechnet ca. 30€ kostet. Der Vorteil ist, dass man kostenlos Reparaturen vornehmen lassen kann und das am Ende seiner Zeit dort problemlos zurückgeben kann. Ein Fahrrad zu kaufen und wieder zu verkaufen ist unter Umständen günstiger, allerdings auch mit mehr Aufwand verbunden.
Das ÖPNV-System ist deutlicher besser als aus Deutschland gewohnt. Wer hauptsächlich Fahrrad fährt und nur gelegentlich Bahn, dem würde ich die Beschaffung einer „Rejsekort“ empfehlen, auf die man Geld auflädt, das bei jeder Fahrt abgebucht wird. Wer viel fährt, kann sich die DOT-Commuter-Card holen, bei der es sich um eine Monatskarte für bestimmte Zonen handelt. Man sollte bedenken, dass die Fahrradmitnahme in der U-Bahn extra kostet!
Studium
Die Kurse geben im Schnitt mehr ECTS als in Deutschland, weshalb man weniger wählt. Ich hatte 4 Kurse, die jeweils 7,5 ECTS gegeben haben. Die Kurswahl fand vor Semesterbeginn statt und leider waren einige meiner favorisierten Kurse bereits voll. Dort wurden dann teilweise kurz vor Semesterbeginn nochmal Plätze frei, es lohnt sich also, nochmal zu schauen! Die englische Kursauswahl im Fachbereich Psychologie war sehr begrenzt, man konnte aber auch aus vielen anderen Fachbereichen der Sozialwissenschaften und mit ein bisschen mehr Aufwand sogar auch aus anderen Fakultäten Kurse belegen. Ich belegte schlussendlich zwei Seminare aus der Psychologie und zwei aus der Anthropologie. Die aus der Psychologie waren „Culture and Psychology“ und „Dating, Mating, and Close Relationships“. Die aus der Anthropologie „Economic Anthropology“ und „Ethnographic Perspecective on Queerness, Gender, and Sexuality“. Die Kurse beinhalteten jeweils 3h wöchentliche Kontaktzeit sowie eine Menge Lesestoff, den man selbstständig in Vorbereitung auf die Seminare jede Woche lesen musste. Das war ich so aus Deutschland nicht gewohnt und sollte man auch nicht unterschätzen! Ansonsten beinhalteten die Seminare Diskussionen, Referate und kleine Abgaben, wie ich es auch aus Deutschland kannte. Die Prüfungsleistung bestand in all meinen Seminaren aus mindestens einem Essay, dessen Abgabefrist Anfang Januar war. Die Seminare gingen nur bis Dezember, weshalb ich zu Weihnachten schon wieder zurück in Deutschland war.
Ich persönlich habe die Anforderungen und die Benotung nicht als anspruchsvoller als in Deutschland empfunden, es werden nur teilweise andere Kompetenzen gefordert. Auch in den Anthropologie-Kursen kam ich trotz fehlender fachspezifischer Vorkenntnisse gut mit – sofern ich die wöchentlichen Lektüren gewissenhaft las!
Freizeit
Kopenhagen hat super viel zu bieten, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Natürlich sollte man einmal die Standard-Touri-Sachen abgehakt haben. Besonders im Sommer sollte man es ausnutzen, an den Strand zu gehen oder zum Reffen-Street-Food-Festival. Sobald das Wetter eklig wird (was es wird…) sind die Möglichkeiten ein bisschen eingeschränkter. Ich kann sehr den Besuch verschiedener Museen empfehlen. Viele von denen haben auch bestimmte Tage, an denen der Eintritt kostenlos ist, danach lohnt es sich zu schauen. In der sogenannten K7-Week waren sogar alle staatlichen Museen für junge Menschen kostenlos.
Essen und Trinken gehen ist leider sehr teuer in Kopenhagen. Umso mehr kann ich den Besuch des Studenterhuset empfehlen, einem studentischen Begegnungsort mitten in der Innenstadt, an dem man vergleichweise günstig Getränke bekommt und immer mittwochs ein günstiges Abendessen. Außerdem kann man an zahlreichen Aktivitäten wie Quizzes, Karaoke, Partys und Language Cafés teilnehmen. Man kann sich dort auch ehrenamtlich engagieren, was ich sehr empfehlen würde als eine weitere Möglichkeit, um Anschluss zu finden. Auch hier engagieren sich hauptsächlich internationale Studierende, zum Teil aber auch Dänen. Vergleichsweise günstiges (und sehr leckeres) Essen finden man zudem in den Mensen auf den Campus. So oder so lässt es sich allerdings nicht vermeiden, ein bisschen mehr Geld als aus Deutschland gewohnt an Lebenshaltungskosten auszugeben.
Eine weitere Möglichkeit, Anschluss zu finden, ist über die Aktivitäten des ESN-Networks. Die Veranstaltungen sind allerdings auch spezifisch für internationale Studierende. Allgemein sollte man beachten, dass es eher schwierig ist, bei Locals Anschluss zu finden. Das liegt nicht primär an einer Sprachbarriere; alle Dänen, die ich kennengelernt habe, sprechen fließend Englisch. Ich habe keinen Dänischkurs belegt und kam im Alltag trotzdem sehr gut klar. Dass meine Freunde ausschließlich andere Internationals waren, lag daran, dass sowohl in meiner Wohnung, als auch in meinen Kursen sowie meinen Freizeitaktivitäten sehr wenige Dänen anzutreffen waren. Einer meiner Lieblingsorte war definitiv das Bastard-Café, ein riesiges Spielecafé, bei dem die Wände vor Gesellschaftsspielen nur so überquellen.
Grundsätzlich ist Dänemark als Ganzes quasi bargeldlos. In meinen knapp vier Monaten dort musste ich kein einziges Mal etwas bezahlen, bei dem keine Karte akzeptiert wurde.
Reisen
Ich würde sehr empfehlen, die Wochenenden für Kurzausflüge zu nutzen. Man ist sehr schnell in Schweden und kann dort in die Städte Malmö, Lund und Helsingborg fahren, die alle einen Besuch wert sind. Dafür reicht jeweils ein Tag. An einem Wochenende hab ich mit Freunden einen Abstecher nach Aarhus, der zweitgrößten dänischen Stadt, gemacht.
Im Semester hatte ich eine Woche frei. Ich entschied mich dazu, ein bisschen mehr vom Norden zu erkunden und machte eine Reise nach Stockholm und Helsinki. Beide Städte kann ich sehr empfehlen! Insbesondere die Fährenüberquerung von Stockholm nach Helsinki hat sich definitiv ausgezahlt.
Fazit
Ich bin sehr froh, mein Auslandssemester in Kopenhagen verbracht zu haben. Ich durfte tolle Menschen und eine tolle Stadt kennenlernen. Der Kulturshock blieb weitgehend aus, da Dänemark kulturell doch sehr ähnlich zu Deutschland ist. Am schockierendsten sind vermutlich die Preise – darauf sollte man sich definitiv einstellen. Es war spannend, Einblicke in das Universitätssystem eines anderen Landes zu bekommen, da es doch einige Unterschiede gibt. Für mich hatte ein Semester genau die richtige Länge, ich bereue es nicht, kein ganzes Jahr gegangen zu sein. Ich freue mich aber schon, für einen Kurzurlaub bald mal wieder in Kopenhagen vorbeizuschauen!