Auslandsbericht Oslo SoSe2023

Oslo, Kristiana University College, Summer semester 2023 (Bachelor)

Als ich die Aufgabe bekommen habe, im Rahmen von Erasmus einen Bericht über meine Zeit in Oslo zu schreiben, war ich zunächst überfordert. Wie soll ich die kleine Welt, in die ich in meinen sieben Monaten in Norwegen eintauchen konnte und dem Zuhause, das für mich daraus entstanden ist, auch nur ansatzweise mit ein paar Worten gerecht werden? Aber jetzt denke ich mir, ich beschreibe Stück für Stück Teile des Bildes und für die Gesamtansicht müsst ihr einfach selbst dort hin ;). Denn eins kann ich sagen: Niemand schafft es nach Norwegen zu gehen, und sich nicht in das Land zu verlieben!

Erasmus-Prozess und Vorbereitung

Ein guter Anfangspunkt für meinen Bericht ist der Erasmus Prozess an sich. Ich habe den Prozess als etwas stressig empfunden, da man sich erstmal durch den Papier- und Dokumenten-Wust der Uni kämpfen muss. Die Universität, an die ich gegangen bin, die Høyskolen Kristiania in Oslo, war zudem zum allerersten Mal Partneruniversität der Uni Heidelberg, weshalb die Kommunikation zu Beginn teilweise etwas holprig war. Es hat auch relativ lange gedauert, bis ich eine offizielle Zusage bekommen habe. Das hat die Nerven gut strapaziert. Ebenfalls ist die Website dort etwas unübersichtlich, schlecht bis gar nicht übersetzt (Google-Translate war mein bester Freund) und man kann nicht wirklich Kurse einsehen. Ich rate deshalb jedem, sich für Informationen direkt an das International Office dort zu wenden. Die können einem dann konkrete Links zuschicken. Ich denke, das wird in den kommenden Semestern aber deutlich besser, da sich das ganze Erasmus-System dort erstmal einpendeln muss. Ich lege jedem auf jeden Fall viel Geduld ans Herz. Was ich als sehr positiv empfunden habe ist, dass ich, als der Prozess einmal ins Rollen kam, auf jede E-Mail und Frage sehr schnell eine Antwort bekommen habe. Außerdem musste ich keine komplizierte Kurswahl betreiben, da dort pro Semester ohnehin nur 2 Kurse mit je 15 ECTS besucht werden und es auch nur 2 Kurse auf Englisch gibt. Somit war ich in diese direkt eingeteilt und hatte zu Beginn keinen Stress. Während ich dann dort war, war der ganze Prozess mit Ankommens-Bestätigung etc. dann total unkompliziert und ich habe mich an der Uni in Norwegen gut betreut gefühlt. Also: Nicht verzagen, es wird besser!

Wohnen

Einen Wohnheimplatz zu bekommen war für mich relativ unkompliziert. In Oslo gibt es „SiO“, das Studierendenwerk, welches zuständig ist für die Wohnheimplätze. Dort bewirbt man sich auch und Erasmus-Studierende werden bei der Platzvergabe bevorzugt berücksichtigt, sodass eigentlich jeder einen Platz bekommen sollte. Jedoch ist auch hier Geduld angesagt, ich habe meinen Platz für Januar z.B. erst Mitte November bekommen. Ebenfalls lohnt es sich, sich so früh wie möglich auf einen Platz zu bewerben. Bei der Bewerbung gibt man dann eine Priorisierung ab, in welches Wohnheim und welche Zimmer-/Wohnungskategorie man möchte. Diese kann man auch nach Abschicken der Bewerbung noch umsortieren, sollte man seine Meinung ändern.

Sollte es nicht klappen, einen Platz bei SiO zu bekommen oder man möchte sich noch nach alternativen Möglichkeiten umschauen, so gibt es „Anker“ in Oslo. Das ist zwar eigentlich ein Hostel, sie vermieten dort aber auch Wohnungen für Studierende. Darüber hinaus kann man WG-Angebote auf „Hybel“, „Finn.no“ oder Facebook finden. Die sind jedoch alle deutlich teurer als die Wohnheim-Zimmer von SiO, die ich für norwegische Verhältnisse preislich echt in Ordnung finde.

Ich habe in Kringsjå, einem von zwei Studentvillages in Oslo, gewohnt und mir hat es dort supergut gefallen. Kringsjå ist zwar etwas außerhalb, das heißt man braucht mit der T-Bane (die U-Bahn in Oslo) ca. 20 Minuten von der Stadtmitte dorthin. Man hat aber die Haltestelle direkt vor der Tür, es gibt dort mehrere Läden, ein Café und ein Gym und das beste ist: Es liegt direkt am Wald, an Langlauf-Loipen und man hat Sognsvann quasi in seinem Backyard. Songsvann ist ein wunderschöner See, an dem man im Sommer schwimmen, zelten und im Winter eislaufen kann. Es ist einer meiner absoluten Lieblingsorte. Und fun fact: Songsvann ist der beste (und wahrscheinlich einzige) Ort in Oslo, an dem man die Nordlichter richtig gut sehen kann! Ich habe sie dort ganze 4-mal gesehen! Demnach kann ich Kringsjå nur empfehlen.

Möchte man etwas mehr Studentenleben und weniger Natur, dann bietet sich Sogn als Wohnheim an.

Universität und Kurse

Die Høyskolen Kristiania habe ich als sehr modern, jedoch manchmal etwas unorganisiert wahrgenommen. Einige Infos zu den Kursen und Plattformen gab es nur auf Norwegisch und es sind des Öfteren Kurse einfach ausgefallen oder verschoben worden. Auch gab es nur eine sehr begrenzte Auswahl an Kursen, die man als International-Student überhaupt besuchen konnte, wie schon beschrieben. Ich hatte Cultural Psychology und Evolution and Behavior. Den Inhalt der Kurse fand ich jedoch total spannend und ich habe sehr viel daraus mitnehmen und lernen können.

Was mir gut gefallen hat ist auch, dass meine Kurse alle sehr klein waren (wir waren oft nur zu Zehnt), da es sich bei der Høyskolen Kristiania ja um eine Privatuni handelt, und dadurch eine sehr persönliche und kommunikative Atmosphäre entstanden ist. Das hat Raum für interaktiveres Lernen geboten, anders als reine Frontalvorlesungen in Deutschland. Ich habe stark das Gefühl, dadurch nachhaltiger gelernt zu haben. Oft hatten meine Vorlesungen mehr Seminar-Charakter und man konnte so die Lehrpersonen auch viel besser kennenlernen.

Generell ist die Ebene zu den Dozenten in Norwegen sehr persönlich, man duzt sich gegenseitig und die Vorlesungen werden etwas lockerer gestaltet. Obwohl beide meiner Kurse jeweils 15 ECTS-Punkte umfassten, habe ich die Workload jeweils als sehr angenehm und angemessen über das Semester verteilt empfunden, sodass ich eigentlich zu keiner Zeit in Stress gekommen bin und viel Zeit zum Reisen hatte, die ich voll ausgenutzt habe und das auch jedem ans Herz legen würde.

Was ich etwas schade fand war, dass es keinen Norwegisch-Kurs an der Uni gab. Ich fände das sehr wertvoll, da man nochmal ganz anders in einer Kultur ankommt, wenn man die entsprechende Sprache beherrscht. Ich habe dann mit Duo Lingo angefangen, man schnappt im Alltag viel auf und Norwegisch ist als deutschsprachige Person auch nicht schwer zu erlernen. Trotzdem lohnt es sich, denke ich, im Voraus einen VHS-Kurs zu belegen, um die Basics zu können. Englisch spricht so gut wie jeder und das auch ziemlich gut, von daher sollte die Sprache aber generell keine Barriere sein.

Daily life in Norway

Zu der Frage, die sich wahrscheinlich jeder irgendwann stellt oder stellen sollte, wenn es darum geht, nach Norwegen zu ziehen: Ist es wirklich so teuer? Ja, ist es! Wenn man in Norwegen arbeitet, sind die Kosten, die das tägliche Leben mit sich bringt, also Einkäufe, Bahntickets, Freizeitaktivitäten, Essen gehen, etc. relativ proportional, da der Mindestlohn, oder Gehälter generell, sehr hoch sind. Wenn man allerdings aus Deutschland kommt, ist es teuer. Ich habe für meinen Wocheneinkauf beispielsweise mindestens das Doppelte des Preises aus Deutschland gezahlt, eine Kugel Eis hat in Oslo 5,70€ gekostet (nur mal so als Anhaltspunkt) und beim auswärts Essengehen findet man kaum ein Essen unter zwanzig Euro. Wenn man jedoch ein bisschen auf seine Ausgaben achtet und den ein oder anderen Tipp kennt, ist es absolut machbar dort sein tägliches Leben zu bestreiten, ohne danach komplett pleite zu sein;). Ich bin beispielsweise wenig bis gar nicht in Restaurants oder der Mensa essen gegangen und Alkohol sollte man, wenn gewünscht, lieber in den „Vin Monopolets“ kaufen und zuhause vorglühen, anstatt in Bars (extrem teuer!). In Oslo gibt es außerdem das Stadtviertel Grønland, in dem es kleine Märkte gibt, wo man sehr günstig Obst und Gemüse und sehr guten Tofu kaufen kann. Die Supermärkte Kiwi und Rema1000 sind auch sehr erschwinglich.

Für die vegetarisch oder vegan Lebenden, mich inklusive, ist es in Norwegen, entgegen der Vorstellung der meisten, manchmal etwas schwierig. Es gibt wenig Auswahl in den meisten Supermärkten, und wenn doch, dann wird es teuer. Allerdings gibt es überall in jedem Café Pflanzenmilch und in den meisten Restaurants vegetarische/vegane Optionen.

Da die Norweger eine absolute Sport-Nation sind, lohnt es sich auch ins Gym zu gehen oder das Angebot eines der vielen Sportclubs zu nutzen, da diese enorm gut ausgestattet sind (mein Gym hatte z.B. Schwimmbad und Sauna), vielfältiges Angebot haben - von Hütten-Tour Clubs bis hin zu Quidditch - und man dort auch gut Leute kennenlernen kann. Ich war bei Athletica in Oslo, welche Mitgliedsrabatte für Studenten der UiO, Kristiania University und OsloMet haben. Es gibt dort jeden Tag eine Vielzahl an Kursen, die man in allen möglichen Gyms in Oslo und an Athletica-Standorten in ganz Norwegen, nutzen kann. Außerdem war ich Mitglied im OSI-Sportsclub, und habe dort Contemporary Dance getanzt, was extrem viel Spaß gemacht hat und ich total liebe Menschen in meiner Gruppe kennengelernt habe.

Was mich am meisten an Norwegen begeistert hat, ist aber die Landschaft und die Menschen! Oslo ist umgeben von Natur und egal in welche Richtung man mit der T-Bane fährt, braucht es max. 30 Minuten und man ist umgeben von Wald. Die sog. „Marka“ um Oslo herum eignet sich auch perfekt zum Kilometer-weit Langlaufen gehen im Winter, dem norwegischen Nationalsport schlechthin. Man sagt, die Norweger würden mit Skiern an den Füßen geboren, demnach sollte das jeder, der nach Norwegen geht, unbedingt mal ausprobieren. Ich habe es leider nicht gemacht, da ich extremer Alpin-Ski Fan bin und meine Wochenenden stattdessen dafür genutzt habe, denn in Norwegen gibt es auch unglaublich tolle Skigebiete. In Oslo fährt man z.B. in nur 20 Minuten mit der T-Bane in eins. Ich habe es aber im Nachhinein etwas bereut, dem Langlaufen nicht doch eine Chance gegeben zu haben ;)

Im Sommer gehört es zum norwegischen Lebensstil dazu, viel wandern zu gehen und generell draußen zu sein, was ich enorm genossen und mich dadurch sehr zuhause gefühlt habe. In der Marka um Oslo kann man mehrtägige Hüttentouren machen und der DNT hat überall in Norwegen kleine Hütten irgendwo im Nirgendwo, in die man sich als Student für 20€/Nacht einbuchen kann. Ein Trip zu einer solchen „Cabin“ empfehle ich jedem, da es schon etwas besonders ist, in den meister Hütten ganz ohne fließendes Wasser und Elektrizität zu sein, sich mal ganz aus allem Trubel rausnehmen zu können und einfach die Natur zu genießen. Eine Sache, die ich außerdem gelernt habe, ist, dass aus jedem Spaziergang in Norwegen eine Wanderung werden kann, denn es gibt so gut wie keine befestigten Wege und jeder Pfad endet in einem kleinen Abendteuer :P

Ich habe mich auf jeden Fall in die norwegische Landschaft verliebt, da sich hinter jeder Ecke eine neue atemberaubende Sicht zu verbergen scheint. Und ich kann nun verstehen, warum die Norweger an Elfen und Trolle glauben. Die Landschaft scheint tatsächlich etwas magisches zu beherbergen und die Berge haben nachts einen ganz besonderen Schimmer über sich liegen, wenn man sie am Horizont sieht (achtet mal darauf, solltet ihr in den Bergen sein ;))

Zu den Norwegern an sich bleibt mir zu sagen, dass sie eher distanziert sind, oder zumindest auf den ersten Blick so wirken. In der Bahn, der Cafeteria oder der Uni setzt sich beispielsweise niemals jemand direkt neben einen, wenn man sich nicht kennt. Generell schätzen es die Menschen, einen gewissen Abstand zu wahren. Kommt man jedoch mit ihnen ins Gespräch, stellt man fest, dass die Norweger unfassbar herzliche, hilfsbereite und respektvolle Menschen sind. Sie mögen es nur nicht, den ersten Schritt zu machen ;). Als jemand, der kein Problem damit hat auf Leute zu zugehen, habe ich mich sehr schnell an die Art der Norweger gewöhnen können, sie kennen und lieben gelernt und auch unter ihnen Anschluss gefunden. Da Erasmus-Studierende dazu tendieren, sehr unter sich zu bleiben, habe ich das als sehr schön empfunden, weil ich finde, dass man eine Kultur erst durch ihre Menschen richtig kennenlernt. Das hat unter anderem auch dazu beigetragen, dass ich mich sehr schnell sehr angekommen gefühlt habe.

Mein Fazit und größtes Learning

Und das ist eigentlich auch mein Lieblingsaspekt des gesamten Auslandssemesters: Ich habe in Olso, in Norwegen als Land und in den Menschen und Freundschaften dort ein richtiges Zuhause gefunden. Natürlich gab es Ups and Downs, manche Zeiten, in denen es schwierig war, und Aspekte die ich weniger gut fand, aber alles in allem, wenn ich auf die Zeit zurückblicke, sind es nicht nur einfach sieben Monate meines Lebens gewesen, die ich dort verbracht habe. Nein, es ist ein Leben und eine ganze Welt in sieben Monaten. Und ich kann’s kaum erwarten, wieder dorthin zurückzukehren.

Mein größtes Learning aus dem Auslandssemester ist, dass es auch langsamer und entspannter gehen kann als in Deutschland. Die Norweger hetzen sich nicht, sind sehr gelassen und schaffen es trotzdem immer 15 Minuten vor der Zeit zu sein. Das habe ich als sehr angenehm empfunden. Auch habe ich gelernt, offene Kommunikation zu schätzen. In Norwegen wird wenig kritisiert, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne und vieles wird einfach geduldet, obwohl die Menschen es eigentlich nicht cool finden. Das hat mich motiviert, ehrlich mit Feedback umzugehen, denn man kann ja alles auf eine respektvolle Art rüberbringen und das ist meistens besser als gar nichts zu sagen.

Und, wenn man eine/n Norweger/in z.B. in einem Laden um Hilfe fragt, wird man erstmal an 5 weitere Adressen geschickt, bevor sich jemand traut, einem eine konkrete Antwort zu geben. Sie wollen nämlich auf keinen Fall etwas falsch machen! Last but not least bleibt mir zu sagen… Es gibt ein Meme, das eine glückliche Person zeigt, mit der Bildüberschrift „Me thinking traveling to Norway would solve all my problems“. Well, let me tell you: Moving there (even for just one semester) actually does! ;)

Tipps für Oslo

Grønland – für billiges Obst und Gemüse

Håndbakt oder BIT – für die besten Zimtschnecken der Stadt

PUST – für den besten Kaffee

Deichman – zum lernen

BUA – zum kostenlos Outdoor Equipment und Skier auszuleihen

Grefsenkollen – für den Sonnenuntergang

Vettakollen – für dem Sonnenaufgang

Songsvann – zum Schwimmen, Eislaufen und v.a. Nordlichter schauen

Aurora App – für die Nordlichtervorhersage ;)