ERASMUS Erfahrungsbericht – Toulouse WiSe 2022/23

Toulouse, Wintersemester 2022/2023 (Bachelor)

Toulouse zählt zu einem der beliebtesten Studienorte Frankreichs – meiner Meinung nach völlig zu Recht! Wen es in eine größere Stadt als Heidelberg zieht, wer sich aber nicht in einer Millionenstadt verlieren möchte, ist im charmanten und belebten Toulouse genau richtig… :)

Vorbereitung und Ankunft

Universität

Nachdem ich die Erasmuszusage für ein Auslandssemester an der Universität Jean-Jaurès erhielt, galt es zunächst das Learning Agreement an Frau Lorenz sowie an die Erasmuskoordinatorinnen Céline Launay und Nicole Cantisano zu senden. Im Anschluss erhält man von der Gastuniversität eine „Mail d’acceptation“ (in meinem Fall Ende März) mit der Aufforderung zum Ausfüllen des Online-Bewerbungsformulars und mit den Links zum Universitätskalender, Kurskatalog und Online Learning Agreement. Letzteres wird von der Universität Toulouse allerdings erst im Laufe des Semesters benötigt. Des Weiteren legt man ein Konto (E.N.T.) bei der Uni an, über welches man dann auf sein Unimailkonto, Noten etc. zugreifen kann. Mitte Juni erhielt ich die „Acceptation officielle“ und einen Kurskatalog mit Informationen zu den Sprachkursen (DEFLE) an der Universität. Alles in allem scheint es zwar am Anfang sehr viel Organisation und Bürokratie zu sein, jedoch wird man sehr gut durch alle Etappen hindurchgeführt.

Allgemeines

Abgesehen von der Bewerbung braucht es für einen Aufenthalt in Frankreich nicht viel Vorbereitung. Die Nutzung der deutschen Handynummer und des Internetvertrags war problemlos möglich. Im Vorhinein habe ich lediglich bei meiner Bank eine Prepaid Kreditkarte beantragt. Da es in Toulouse öfter mal zu Taschendiebstählen kommt, bietet es sich an, auf eine solche Karte regelmäßig kleinere Beträge zu überweisen, anstatt seine Bankkarte mitzuführen. Zudem ist die Kreditkarte in Frankreich das gängige Bezahlungsmittel bei Onlinekäufen (bspw. für die Überweisung der Monatsmiete, die Bezahlung von ESN-Events oder Zugtickets).

Für ein gutes Verständnis der Vorlesungen empfiehlt die Universität ein Sprachniveau von B1 in Französisch – nach meinen Erfahrungen ist dies eine angemessene Empfehlung. Ich hatte damals in der Schule ein B2 Niveau erreicht und konnte den Kursen trotz fehlender Wiederholung seit dem Abitur sehr gut folgen. Solltet ihr euch allerdings nicht sicher sein, dann kann es nicht schaden, zur Vorbereitung noch einen Sprachkurs zu belegen oder mithilfe von Sprachapps das Französisch aufzufrischen. Macht euch auf jeden Fall wegen der Sprache nicht zu viele Sorgen... Ich hatte anfangs auch Respekt vor der Sprachbarriere, war jedoch positiv überrascht, wie gut man den Vorlesungen folgen und die Klausuren bewältigen kann.

Ankunft

Aus organisatorischen Gründen bin ich mit dem Flugzeug angereist. Allerdings lässt sich Toulouse auch super mit dem Zug erreichen. Von Mannheim gibt es eine Direktverbindung nach Paris mit einer guten Anbindung nach Toulouse. Hier sollte man jedoch für das Umsteigen mindestens 50 min. einplanen. In Toulouse angekommen, habe ich mir in den ersten Tagen direkt eine „Carte Pastel“ gekauft. Mit dieser aufladbaren Monatskarte kann man alle öffentlichen Verkehrsmittel in Toulouse benutzen und sie lohnte sich definitiv allein für den Weg zur Uni.

Wohnen

Zu Beginn habe ich mir die Frage gestellt: Wohnen in der Nähe des Universitätscampus oder des Stadtzentrums? Letztendlich habe ich einen Platz im Studierendenwohnheim in Zentrumsnähe angenommen und kann euch sagen, es war die beste Entscheidung! Mit der Metro seid ihr von der Stadtmitte in 10 min. (ohne Fußweg) bei der Metrostation der Uni. Zudem spielt sich das Leben im Zentrum ab und ihr werdet dankbar sein, nach einem Restaurantbesuch oder nach einer Party nach Hause laufen zu können.

CROUS Studierendenwohnheim: Im Laufe des Bewerbungsverfahrens der Gastuniversität bestand die Möglichkeit, den Wunsch nach einem Platz im Studierendenwohnheim anzugeben. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Plätze an die ersten BewerberInnen vergeben werden. Wartet daher also nicht mit der Bewerbung bis kurz vor Bewerbungsschluss. Je früher ihr die Bewerbung abschickt, desto höher sind die Chancen auf einen Platz. In meinem Fall war das Online-Bewerbungsformular für das WiSe 2022/23 an der Gastuniversität ab dem 15. März verfügbar und konnte bis zum 31. Mai eingereicht werden. Wichtig zu wissen ist, dass das Wohnheim bei der Bewerbung nicht ausgewählt werden kann, sondern zufällig zugeordnet wird. In jedem Fall würde ich dennoch empfehlen sich zu bewerben, da der Aufwand minimal ist und sollte man mit der Lage unzufrieden sein, kann man das Angebot im Zweifel immer noch ablehnen und sich eigenständig auf Wohnungssuche begeben. Ende Juni habe ich schließlich eine Bestätigung für ein Zimmer im Studierendenwohnheim Arsenal erhalten.

Das weitere Vorgehen empfand ich leider als unnötig kompliziert und ich wäre über einige Tipps zu Beginn dankbar gewesen (man sagte mir jedoch, so sei die französische Bürokratie nun mal). Lasst euch davon nicht abschrecken, am Ende lohnt es sich! Zunächst wird man gebeten, ein Konto bei „messervices.etudiant.gouv.fr“ zu eröffnen, worüber man alle weiteren Schritte abwickelt. Im Vorhinein muss bereits eine Anzahlung für die erste Miete von 100 € sowie eine Kautionszahlung von ca. 250 € erfolgen. Für die Kaution wird eine Bürgschaft verlangt, wofür es zwei Möglichkeiten gibt. Mein Tipp: Entscheidet euch auf keinen Fall für die Bürgschaft über eine Privatperson! Zum einen werden unglaublich viele personenbezogene Daten benötigt (Gehaltsabrechnung, Wohnsitznachweis, Bescheinigung des Arbeitgebers etc. etc.) und nachdem man diese zusammengesammelt hat, werden diese nicht im Original in deutscher Sprache akzeptiert, sodass man diese kostenpflichtig übersetzen lassen müsste. Wählt daher den einfachen Weg über Visale.fr. Hier bürgt das Unternehmen nach einigen Angaben für euch und ihr erhaltet den Nachweis innerhalb einiger Tage. Des Weiteren wird für den Abschluss des Mietvertrags eine Hausratversicherung benötigt. Diese habe ich für 40 € bei SMERRA abgeschlossen. Möglicherweise gibt es günstigere Optionen, je nachdem, was ihr alles absichern möchtet. Allerdings handelt es sich meiner Meinung nach eher um eine Formalität, die in Frankreich Pflicht ist und die ihr sehr wahrscheinlich nicht in Anspruch nehmen werdet.

Zunächst einmal ist die Monatsmiete mit 245 € ein großer Pluspunkt (günstigeres Wohnen ist quasi kaum möglich). Die Zimmer sind mit 9 m² zwar klein und zumindest in meinem Gebäude nicht sehr modern möbliert, aber man gewöhnt sich daran (am besten verbringt man darin sowieso nicht so viel Zeit ;) ). Ich war in einem Gebäude mit Gemeinschaftsküche, was ich im Nachhinein als positiv empfand, da ich beim Kochen einige Bekanntschaften gemacht habe. Eine Sache, die es bei der Anreise unbedingt zu beachten gibt: Ihr mietet nur das Zimmer ohne jegliche Ausstattung… Das bedeutet ihr müsst Bettbezüge, Decke, Kissen sowie Küchen- und Putzutensilien mitnehmen oder vor Ort besorgen. Tipp: Es gibt Möglichkeiten sich mit abreisenden ERASMUS-Studierenden zu verbinden (bspw. über die ESN-Wohnheimgruppe). Viele Studierende nehmen ihre Sachen nicht mit in die Heimat und so müsst ihr nicht alles neu kaufen. Neben dem kostengünstigen Wohnen kann man von den vielen kostenlosen Sportangeboten von CROUS profitieren.

Wohngemeinschaft Parallel zu meiner Bewerbung habe ich mich auch auf WG-Suche begeben, hauptsächlich über „lacartedescolocs.fr“. Meine Erfahrung war hier, dass Wohnungen oder freie Zimmer sehr spontan eingestellt und schnell vergeben werden. Ich habe damals zwei Monate vor Umzug mit der Suche begonnen und die meisten Gesuche waren für die nächsten zwei Wochen angesetzt, sodass mich die vorzeitige Suche nicht wirklich weitergebracht hat. Letztendlich habe ich den „sicheren“ Weg gewählt und den Wohnheimplatz angenommen. Ich denke, es ist in Toulouse jedoch gut möglich, recht spontan eine WG zu finden. Nachdem ich einige Geschichten von Betrügereien gehört habe, würde ich euch jedoch empfehlen, falls möglich, einen Besichtigungstermin auszumachen, eventuell sogar ein paar Tage früher in Toulouse anzureisen und vor Ort auf Wohnungssuche zu gehen.

Universität

Das WiSe begann mit zwei Einführungswochen, in denen Informationsveranstaltungen zu den Sprachkursen, zum Unisport und vieles mehr angeboten wurde. Beim „Arriving Student Desk“ konnte man nach Terminvereinbarung seine Anfangsbescheinigung der Gastuniversität unterschreiben lassen sowie mögliche Fragen klären. In diesen ersten beiden Wochen sollte auch die Kurswahl durchgeführt und der Stundenplan erstellt werden. Das war ehrlicherweise am Anfang etwas chaotisch und sehr verwirrend, jedoch bekommt man auf Nachfrage überall sofort Hilfe. Bei der „inscription pédagogique“ kann ich euch empfehlen, zu denen im vorläufigen Learning Agreement ausgewählten Kursen einige zusätzliche Vorlesungen anzugeben, die euch eventuell auch noch interessieren würden. Da die Plätze sowohl für die Psychologie- als auch für die Sportkurse nach Zeit vergeben werden, könnt ihr euch so sicher sein, dass ihr in ausreichend Kurse eingeschrieben werdet und im Notfall könnt ihr diese auch wieder abwählen. Es gilt in jedem Fall schnell zu wählen, um einen Platz in seinem Wunschkurs zu bekommen und die gewünschte Kurszeit zu wählen, um diese mit den anderen zu belegenden Kursen abzustimmen. Besonders wenn man Kurse aus verschiedenen Semestern wählt, können sich die Veranstaltungen zeitlich überschneiden, so dass eine frühzeitige Kurswahl sinnvoll ist. Nach abgeschlossener Einschreibung bekommt man dann auch seinen Studierendenausweis, mit dem man überall auf dem Campus zahlen und Bücher ausleihen kann.

Die Lehre an der Universität läuft etwas anders ab als in Heidelberg. Zu den meisten Vorlesungen (CM) werden Seminare angeboten (TD), die besucht werden müssen und in denen Anwesenheitspflicht besteht. Außerdem gibt es für die meisten Lehreinheiten (UE, meist bestehend aus CM und TD) Zwischenprüfungen (in meinem Fall im November), die bereits einen gewissen Prozentanteil der Endnote ausmachen. Das hat den Vorteil, dass sich Leistungsaufwand und -druck verteilen. Die zweite Klausurenphase fand dann vom 3. bis 16. Januar statt. Während dieser Zeit hat man dann auch keine Vorlesungen mehr. Tipp für die Klausuren: Ihr könnt euch in der Universitätsbibliothek ohne viel Aufwand ein Wörterbuch ausleihen und zu den Klausuren mitnehmen. Ansonsten war es kein Problem, im Falle von Verständnisschwierigkeiten bezüglich des Arbeitsauftrages in der Klausur nachzufragen. Insgesamt empfand ich die Lehrveranstaltungen als ähnlich zu denen in Heidelberg. Die Vorlesungen sind in der Regel als Frontalunterricht ausgelegt, aber auch hier dürfen jederzeit Zwischenfragen gestellt werden und abhängig von der Veranstaltung stellen auch einige Lehrpersonen gelegentlich Fragen in den Raum. Die TDs waren den Seminaren in Deutschland sehr ähnlich. Hier gab es Übungsaufgaben, Gruppenarbeiten etc.

Neben einem begleitenden B2 Sprachkurs habe ich die Lehrveranstaltungen Psychologie clinique et psychopathologies plurielles, Introduction à la psychophysiologie, Psychologie cognitive und Psychologie de l’enquête judiciaire gewählt. Letztgenannte Vorlesung kann ich sehr empfehlen für alle, die sich für Kriminologie und Rechtspsychologie interessieren!

Die Universität Jean-Jaurès hat mir allgemein sehr gut gefallen. Besonders im Vergleich zu Heidelberg ist es eine schöne Erfahrung und Abwechslung, mal an einer Uni mit Campus zu studieren. Für das leibliche Wohl ist auch gesorgt: Neben der CROUS Mensa (3,30 € für Vor-, Hauptspeise und Dessert) gibt es eine Cafeteria und einzelne Bistros in den Fakultäten. Besonders zu Semesterbeginn gibt es auf dem Campus viele Angebote und ich kann euch die Teilnahme am Unisport sehr empfehlen! Von den 35 angebotenen Sportarten habe ich Tischtennis und Badminton ausgewählt, was nicht nur sehr viel Spaß gemacht hat, sondern auch eine ideale Gelegenheit war, um (französische) Kontakte zu knüpfen. Neben dem wöchentlichen Unisport besteht auch die Möglichkeit, sich für einzelne Veranstaltungen, wie Wanderungen oder Skifahrten (ab Ende Januar) einzuschreiben. Für nur 8 € bekommt man so beispielsweise eine geführte Wandertour in den Pyrenäen und das war wirklich eine Erfahrung wert!

Freizeit

Neben den Freizeitangeboten des Wohnheims und der Universität muss man die großartige Arbeit der Freiwilligen des ERASMUS Student Networks (ESN) hervorheben. Egal ob Ausflüge, Partys, Sprachcafés oder Restaurantbesuche und vieles mehr, das Angebot ist riesig und dafür ausgelegt, neue Bekanntschaften zu machen.

Zudem besteht die Möglichkeit, sich in der ERASMUS Organisation der Universität (EIMA) einzuschreiben, die ebenfalls viele tolle Aktivitäten anbietet. Zum Beispiel habe ich an deren „Integration Weekend“ teilgenommen, wo ich einen Großteil meiner FreundInnen kennengelernt habe.

Toulouse bietet eine Vielzahl an Freizeitmöglichkeiten. Am ersten Sonntag jeden Monats könnt ihr bspw. von einem freien Eintritt der meisten Museen profitieren. Es gibt zahlreiche tolle Cafés, Restaurants und Märkte zu entdecken. Und egal zu welcher Tageszeit, ein Spaziergang an der Garonne lohnt sich immer!

Falls ihr noch mehr von Frankreich sehen möchtet, bietet Toulouse die perfekte Lage, um das Umland zu erkunden. In etwa zwei Stunden seid ihr am Meer oder in den Pyrenäen. Es gibt viel schöne nahegelegene Städte zu erkunden wie Carcassonne, Albi, Narbonne oder Cordes sur ciel. Mit dem Zug lassen sich die meisten Orte sehr gut erreichen. Im September konnten wir zum Beispiel an den meisten Wochenende von 1€-Tickets in der ganzen Region Okzitanien profitieren. Informiert euch hierfür am besten über die französische Bahngesellschaft SNCF.