Erfahrungsbericht Salamanca 22/23

Salamanca, Wintersemester 2022/2023 (Bachelor)

Bewerbung und Vorbereitung

Der Aufwand für Bewerbung und Vorbereitung für einen Erasmusaufenthalt sind meiner Meinung nach überschaubar. Anhang der aus Heidelberg zusammengestellten Checkliste erhält man einen guten Überblick über die notwendigen Dokumente. Ein Sprachnachweis ist für die Universidad de Salamanca nicht notwendig, da in der Psychologie alle Kurse auf Spanisch sind, sind Sprachkenntnisse aber definitiv sehr hilfreich.

Anreise und Unterkunft

Angereist bin ich per Flugzeug über Madrid, von Madrid aus gibt es Bus- und Zugverbindungen, mit denen man einfach nach Salamanca kommt. Meine Rückreise habe ich komplett mit dem Zug gemacht, auch per Zug oder Bus kommt man mit etwas mehr Zeitaufwand, aber ohne viele Umstiege problemlos nach Salamanca, beispielsweise mit der Busverbindung über Paris oder mit verschiedenen Zugverbindungen durch Frankreich.

Wie viele andere Komiliton:innen auch habe ich mir eine WG erst vor Ort gesucht und würde dies auch empfehlen. Der Wohnungsmarkt in Salamanca ist sehr dankbar, insbesondere zu Semesterbeginn ist es problemlos möglich, innerhalb von einer Woche eine WG zu finden. Ich habe daher für die ersten zwei Wochen ein AirBNB gebucht und über idealista und facebook nach WGs gesucht. Es ist sehr sinnvoll, sich die WGs vor Einzug einmal anzuschauen, da die Qualität der Wohnungen nicht unbedingt mit Heidelberg vergleichbar ist und man so unschöne Überraschungen vermeiden kann. Ich habe mich für eine WG in der zona van Dyck entschieden, diese liegt mittig zwischen der psychologischen Fakultät (welche etwas außerhalb der Stadt liegt) und dem Stadtzentrum. Von dort aus sind die Fakultät und das Zentrum in ca. 15-20 Minuten zu Fuß zu erreichen, ich habe zusätzlich entschieden mir ein Fahrrad zu kaufen, was z.B. über milanuncios gut möglich ist. Ich habe mir meine WG mit zwei Spanierinnen geteilt, was um mehr Spanisch zu sprechen definitiv hilfreich war, aus meiner Erfahrungen mit anderen WGs würde ich aber sagen, dass die Erasmus-WGs tendenziell mehr gemeinsames WG-Leben hatten, da man sich in ähnlicheren Sozialkreisen bewegt.

Leben in Salamanca

Das Leben in Salamanca ist geprägt von der großen Menge an Studierenden und insbesondere auch Auslandstudierenden. Ich habe mit vielen der anderen Erasmusstudierenden die Erfahrung geteilt, dass es eher schwierig ist, den Wunsch umzusetzen seine Zeit vor allem mit Spanier:innen zu verbringen. Die meisten spanischen Studierenden haben einfach schon ihre sozialen Kreise gefunden und meiner Wahrnehmung nach wenig Interesse, Freundschaften zu Erasmus-Studierenden aufzubauen. Erasmus-Studierende kennenzulernen ist dafür um so einfacher. Es gibt eine große Anzahl an Organisationen (z.B. Salamanca Erasmus Trips oder das Erasmus Student Network), die sich darauf spezialisiert haben, Angebote für Erasmus-Studierende zu schaffen, neben Reisen in umliegende Städte werden auch Karaokeabende, Mottopartys, Stadtführungen durch Salamanca und vieles mehr angeboten. Am Anfang des Semesters fand ich diese Angebote hilfreich, um Leute kennenzulernen, später habe ich sie deutlich weniger genutzt.

Salamanca weist ein großes Angebot an Kneipen, Bars und Clubs auf. Wer Reggaeton mag, wird definitiv schnell fündig, ein Treffpunkt für Erasmusstudierende ist häufig das Paniagua, wo eher englische Musik gespielt wird. Als Abwechslung davon finde ich das Centenera empfehlenswert, wo zwei Mal wöchentlich Jazzabende sind.

Einen Großteil meiner Freizeit habe ich beim Tanzen verbracht – es gibt diverse Tanzschulen, die vor allem Kurse für Salsa und Bachata relativ preiswert anbieten. Hier hatte ich auch die Gelegenheit, viele Spanier:innen kennenzulernen, was mir über die Uni kaum gelungen ist.

Das kulturelle Angebot in Salamanca muss man leider etwas suchen, die Auswahl an Theater, Museen etc. und auch kleineren kulturellen Angeboten ist weniger reich als in Heidelberg. Besonders zum Kennenlernen der Stadt ist aber ein Besuch der vielen historischen Gebäude wie der Kathedrale oder der casa de las conchas sehr schön, und insgesamt ist die Stadt durchaus sehr charmant.

Reisen

Wie oben erwähnt gibt es zahlreiche organisierte Reisen, aber auch selbstständig ist das Reisen in Spanien nicht schwer. Von Salamanca direkt aus kommt man mit dem Bus in umliegende Dörfer wie Béjar oder la Alberca, über Madrid kommt man mit Bussen oder Zügen auch relativ einfach in viele weitere Städte, ich habe z.B. Barcelona und Valencia besucht. Per Fernbus lassen sich von Salamanca aus auch entferntere Ziele erreichen, lohnenswert fand ich eine Reise nach Bilbao und Porto.

Studieren an der USAL

Die Struktur des Studiums ist in Salamanca etwas anders, als ich es aus Heidelberg gewöhnt war. Der Bachelor umfasst 4 Jahre, im 4. Jahr wird dabei ein umfassender Wahlfachbereich angeboten. Die meisten Fächer sind unterteilt in teoría und prácticas. Die teoría ist meistens eine Sitzung pro Woche und wird in zwei großen Gruppen (A und B) gegeben, die prácticas werden 1-2 Mal wöchentlich in kleineren Gruppen (A1, A2, A3…) gegeben und sind vergleichbar mit Seminaren, dort werden je nach Fach beispielsweise Fallbeispiele bearbeitet oder Gruppenarbeiten gemacht. In den prácticas ist häufig Anwesenheitspflicht. Die Zuordnung zu den Gruppen passiert zu Beginn des Semesters nach Nachnamen, ein Wechsel der Gruppen ist relativ problemlos möglich. Da für die normalen Studierenden ein fester Stundenplan für jeden Jahrgang besteht, kann es als Erasmusstudi etwas umständlich sein sich einen Stundenplan zusammenzusuchen, da man dann ja meistens Kurse aus verschiedenen Jahrgängen besucht. Zum Stundenplan ist generell zu sagen, dass fast alle Pflichtkurse vormittags stattfinden, die Wahlpflichtkurse aus dem 4. Jahr aber ausschließlich nachmittags sind. Von 14:00 bis 16:00 ist eine Mittagspause, was dazu führt, dass die Wahlpflichtkurse teils auch spät abends (bis 21:00) sind.

In der ersten Woche gilt ein Sonderstundenplan, in den Stunden der ersten Woche werden relevante Informationen zum Aufbau des Fachs vermittelt, aber auch schon mit den Lehrinhalten begonnen. Sollte es hier Überschneidungen geben kann es hilfreich sein, die Veranstaltungen der jeweils anderen Theoriegruppe zu besuchen.

Das an der USAL verwendete Äquivalent zu moodle heißt studium, es wird von manchen Dozierenden mehr und von manchen weniger genutzt. Nicht in allen Fächern werden die Folien oder ein Skript hochgeladen, für die meisten Fächer gibt es jedoch Mitschriften aus vorigen Jahren (einfach apuntes genannt), diese kann man sich ausgedruckt kaufen, wenn man ein paar andere Studis fragt findet man aber eigentlich auch in jedem Fach eine Version, die gratis als pdf im Umlauf ist. Ich habe die apuntes gern genutzt, um meine eigenen Mitschriften zu ergänzen.

Generell hatte ich den Eindruck, dass viele der Fächer durch Präsentationen, Abgaben und ähnliches viel Zeitaufwand erfordern, die behandelte Stoffmenge aber trotzdem geringer ist, als ich es aus Heidelberg gewohnt war. Das fachliche Niveau habe ich oft als etwas niedriger als in Heidelberg wahrgenommen.

Auch die Kommunikation an der Uni war zunächst etwas ungewohnt: Dozierende und auch sonstiges Personal der Universität werden generell geduzt. Wichtige Informationen (wie ausfallende Stunden oder Verschiebungen von Klausurterminen) werden nicht immer über studium oder per Mail kommuniziert, sondern gelegentlich auch nur über die Semesterwhatsappgruppen. Es ist also definitiv ratsam, am Beginn des Semesters aus jedem Jahrgang, in dem man Kurse besucht, jemanden zu fragen, der einen den Gruppen hinzufügen kann.

Zum Bestehen der Kurse ist in manchen Fällen nur das Bestehen der Klausur notwendig und die in den prácticas gesammelten Punkte dienen nur zur Verbesserung der Note, in anderen Kursen müssen die Klausur und die prácticas unabhängig voneinander bestanden werden. Die Bewertung erfolgt generell in Punkten von 0 bis 10, wobei ein Fach mit 5 Punkten als bestanden gilt.

Meine Kurse

Ich wollte mein Erasmus nutzen, um Kurse zu besuchen, die in Heidelberg nicht in gleicher Form angeboten werden. Daher habe ich kaum Kurse besucht, die ich mir in Heidelberg anrechnen lassen konnte und ein Großteil meiner Kurse stammte aus den „optativas“, also den Wahlfächern, welche in Salamanca fürs 4. Studienjahr angeboten werden.

Ich habe in meinem Semester die folgenden Kurse besucht:

Psicología de la sexualidad: Dies war einer meiner favorisierten Kurse in Salamanca und ich kann ihn wirklich empfehlen. Der Kurs beschäftigt sich mit Konzepten von Sexualität, Sexualtherapie und Sexualedukation innerhalb und außerhalb des Schulkontextes. Das Fach ist zwischen 3 Dozenten aufgeteilt, diese haben alle viel Rücksicht auf die anwesenden Erasmusstudierenden genommen. Zur Bewertung wird am Ende des Semesters eine Klausur mit offenen Fragen geschrieben, zudem werden die in den prácticas abgegebenen Aufgaben bewertet. Dieses Fach hat mir sehr gut gefallen, da die Inhalte interessant, umfangreich und aktuell waren und die Gestaltung des Fachs ansprechend war.

Modificación y terapia de conducta: Dieser Kurs wird ebenfalls im 4. Jahr des Bachelors angeboten, ist jedoch ein Pflichtfach, sodass der Kurs etwas voller ist. Inhalt des Kurses sind vor allem Techniken und Anwendungsbereiche der Verhaltenstherapie. Der Kurs ist gegliedert in teoría, práctica und seminarios mit je einer Einheit pro Woche. Die teoría entspricht einer Vorlesung, in der práctica werden die Inhalte aus der teoría mit Aufgaben weiter vertieft. Im seminario wird in Kleingruppen ein Vortrag zu einem Störungsbild sowie den zur Behandlung verwendbaren verhaltenstherapeutischen Techniken erarbeitet. Ich habe in diesem Kurs viele verhaltenstherapeutische Techniken kennengelernt, hätte mir an vielen Stellen jedoch eine Modernisierung des Lehrstoffs gewünscht, der mir teils recht veraltet vorkam. Zusätzlich hatten wir in diesem Kurs die Möglichkeit, an einer Fragerunde mit einer Person mit Schizophrenie teilzunehmen, was sehr interessant war. Zum Abschluss des Kurses wurde eine multiple choice Klausur geschrieben. Der Arbeitsaufwand dieses Kurses war durch den Vortrag etwas höher, aber dennoch gut machbar, und für mich war es eine schöne Lernerfahrung, einen Vortrag auf Spanisch zu halten. Unter den spanischen Studierenden heißt es teils, dass dies eines der schwierigsten Fächer sei, das kann ich so aber nicht unbedingt bestätigen. Die Dozentin, die die teoría und prácticas gilt als ziemlich streng, was definitiv seine Gründe hat, die Dozentin der seminarios ist hingegen sehr freundlich und offen für Interaktionen mit den Studierenden.

Psicología de la delincuencia: Dieser Kurs stammt ebenfalls aus dem Wahlpflichtbereich und behandelt Konzepte von Delinquenz und Delinquenzforschung. Ein besonderer Fokus wurde auf hate crime sowie die Entstehung und Untersuchung davon und auf Radikalisierung gelegt. Die vorgestellten Inhalte waren sehr spannend, wenn auch teils etwas ungeordnet präsentiert. In diesem Fach gab es viel Möglichkeit zur Arbeit in Kleingruppen und auch zur Diskussion, zur Bewertung zählten neben einer multiple choice Klausur mehrere Abgaben, die allein oder in Kleingruppen bearbeitet werden konnten. Hierbei war recht unklar, welche Kriterien zur Bewertung herangezogen wurden, und im Allgemeinen war die Struktur des Fachs etwas intransparent. Dennoch fand ich dieses Fach definitiv lohnend.

Psicología social I: Psicología social ist ein zweigeteilter Kurs und wird von zwei Dozentinnen gegeben. Im ersten Teil ging es vor allem um Mythen der Sozialpsychologie sowie wie sich diese verbreiten bzw. wodurch sie sich halten. Am Ende dieses Teils stand eine Ausarbeitung zum Thema Generierung von Forschungshypothesen, zusätzlich ein Klausurteil am Ende des Semesters. Der zweite Teil des Fachs hat sich mit verschiedenen sozialpsychologischen Themen wie soziale Wahrnehmung und Attribution, prosozialem Verhalten, Aggression, Einfluss von Minderheiten und Mehrheiten auseinandergesetzt. In diesem Teil gab es wöchentliche kurze Abgaben zu den Themen zu bearbeiten, zusätzlich wurden im Laufe des Kurses je 6 Bücher und Filme aus sozialpsychologischer Perspektive analysiert und diese Analysen abgegeben. Außerdem wurde in Kleingruppen ein kurzes Video zu einem selbst gewählten Thema gedreht und eine Klausur geschrieben.

Dieser Kurs wird in Salamanca im ersten Semester gelehrt, entsprechend werden auch einige Grundlagen vermittelt, die für Erasmusstudierende im höheren Semester weniger relevant sind. Grundsätzlich fand ich den Kurs aber sehr spannend und ansprechend gestaltet, auch die Komponenten zu Sozialpsychologie in Film und Literatur haben mir gut gefallen. Durch die wöchentlichen Abgaben und die insgesamt 12 Aufsätze zu Film und Literatur ist in diesem Fach aber definitiv mit einem höheren Arbeitsaufwand zu rechnen. Ich habe dies als gute Übung für meine Spanischkenntnisse wahrgenommen, je nachdem welchen Anspruch man an seine Leistung hat lassen sich diese Abgaben sicherlich auch mit mäßigem Aufwand realisieren. Die Bewertung der Klausur war jedoch ziemlich streng, es hat niemand über 8 Punkte erreicht, ich würde dieses Fach also nicht empfehlen, wenn man es sich anrechnen lassen möchte.

Psicología de grupos: Dieses Fach bietet einen historischen Überblick über Konzepte zur Gruppenpsychologie sowie Inhalte zu aktuelleren Konzepten und Forschungsfeldern. In der ersten Semesterhälfte werden hier nur Vorlesungen gegeben, in der zweiten Semesterhälfte werden die übrigen Themen in Kleingruppen erarbeitet und dem Kurs präsentiert. Hier wird also ebenfalls eine Präsentation gefordert. Zusätzlich wird eine Klausur geschrieben, es besteht auch die Möglichkeit, diese Klausur in zwei Teilen schon während des Semesters zu schreiben, was ich genutzt habe, um in der Klausurenphase eine Klausur weniger auf dem Plan zu haben. Die Inhalte waren interessant, auch wenn ich oftmals eine Reflektion oder Diskussion angebracht gefunden hätte, da insbesondere in der ersten Semesterhälfte ja vorranging ältere Konzepte vermittelt wurden, die teils nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand entsprechen. Generell hat mir dieses Fach aber gut gefallen.

Igualdad y violencia de género: Auf dieses Fach habe ich mich besonders gefreut, da der Themenkomplex mich besonders interessiert, ich habe den Kurs aber als recht enttäuschend wahrgenommen. Insbesondere in den ersten Stunden wurden kaum Inhalte vermittelt, sondern mehr allgemeine Gespräche geführt in denen die eigentlichen Themen maximal am Rande zur Sprache kommen. In den prácticas dieses Fachs wurden verschiedene relativ zufällig ausgewählte Inhalte behandelt, teils wurden uns psychologische Tests zur Bearbeitung und Selbsterkenntnis vorgelegt, bei denen selbst ohne tiefergehende Kenntnisse zur Psychologie oder Testkonstruktion offenkundig war, dass sie kaum diagnostischen Wert haben dürften. Nachfragen zu empirischen Belegen oder Fachliteratur zur Unterstützung der Inhalte wurden vom Dozenten abgelehnt. Dieses Fach kann ich also leider nicht weiterempfehlen.

Fazit

In meinem Erasmussemester liefen insbesondere in der Uni einige Dinge anders, als ich sie erwartet hatte. Ich habe diese Erfahrung jedoch sehr genossen und fand es spannend, einen Einblick zu gewinnen, wie die Uni in Spanien funktioniert. Auch die Gelegenheit, Kurse zu besuchen, welche in Heidelberg nicht angeboten werden, hat mir gut gefallen. Insgesamt finde ich definitiv, dass dieses Semester sich sehr gelohnt hat und bin dankbar für die vielen Erfahrungen, die ich hier sammeln konnte.