Erfahrungsbericht: Erasmus in Kopenhagen

Kopenhagen 4EU+, Wintersemester 2021/2022 (Bachelor)

Zeitraum und Organisatorisches vorab:

Ich studiere Psychologie und ich habe im Wintersemester 2021/22 ein Auslandssemester an der University of Copenhagen in Dänemark verbracht und kann dies jedem nur herzlichst weiterempfehlen. Da die Universität sich an den internationalen Semesterzeiten orientiert, lief das Semester von Anfang September bis zu meiner letzten Prüfungsleistung Anfang Januar. Ich entschied mich bereits ein Jahr zu vor, ins Ausland zu gehen. Das ist auch wichtig, weil bei den meisten Organisationen eine lange Vorlaufzeit für die Bewerbung besteht. Da ich mich über Erasmus+ beworben hatte, begann die Bewerbungszeit im November 2020. Bei Auslandsbewerbungen ist zu beachten, sich früh genug um verschiedene Dokumente zu kümmern, beispielsweise Sprachnachweise und Gutachten von Professor*innen. Zusätzlich ist es wichtig zu wissen, dass Bewerbungen für einen Auslandsaufenthalt außerhalb von Europa meist schon im Juni beginnen. Der zeitliche Aufwand lohnt sich aber auch bei diesen Organisationen. Nicht nur die finanzielle Förderung, aber die Kommunikation mit der Zieluniversität und Dinge wie Kurswahl sind meiner Erfahrung nach erleichtert durch die Partnerschaft. Außerdem hat man automatisch Ansprechpersonen, so dass jegliche Fragen gestellt werden können und man immer Absicherung bekommen kann. Zuerst schien die Dokumentenmenge und organisatorische Last erdrückend, letztendlich war aber alles sehr machbar und es handelte sich vor allem viel um ausdrucken – unterschreiben – einscannen – abschicken. Der zeitliche Rahmen war bei mir so, dass ich die Bewerbung im Januar abgeschickt habe, im April eine Zusage von meiner Heimuniversität Heidelberg bekam und mich dann im Mai noch mal in Kopenhagen beworben musste – dabei handelte es sich aber meines Erachtens nur um eine Formalität und die Annahme ist quasi gesichert. Im Juni habe ich mich dann auch für eine Auslandsförderung im Rahmen der Studienstiftung beworben. Das kann ich jedem nur ans Herzen legen, da die Bewerbung und die Rückmeldungen während des Semesters sehr unkompliziert sind. Auch hier ist ausreichend Vorlaufzeit zu empfehlen, also würde ich mich einfach direkt nach der Zusage der Universitäten um eine Auslandsförderung kümmern.

Zimmersuche und Empfehlungen der Wohnheime:

Vor dem Aufenthalt galt es zusätzlich noch, sich ein Zimmer zu suchen. Die Universität bietet Studentenwohnheime an. Die Bewerbung dafür ist sehr kompetitiv, weswegen es wichtig ist, das Zimmer am Tag des Bewerbungsstarts sofort zu sichern. Zuvor sollte man sich genügend über die verschiedenen Wohnheime informiert haben, die Auswahl ist nämlich groß. Ansonsten werden auch Zimmer in WGs über Facebook vermietet, die Norm ist aber ein Zimmer im Wohnheim. Ich kann mein Wohnheim (Mariendalsvej kollegiet) total weiterempfehlen. Ich würde sagen, dass es das Beste in ganz Kopenhagen ist. Die meisten Wohnheime haben Studioapartments, während Mariendalsvej 4-5er WGs mit insgesamt ca. 250 Studierenden hat. Dadurch ist das Gemeinschaftsgefühl sehr groß und viel findet innerhalb des Wohnheims statt. Außerdem gibt es bei möglichen plötzlichen Lockdowns immer noch viel Menschenkontakt innerhalb der WG. Zugleich liegt es in Frederiksberg, was zwar 15 Minuten vom Zentrum entfernt ist, aber eine super schöne und ruhige Umgebung hat – die dann an Wochenenden vom Wohnheim gerne mal unterbrochen wird. Einkaufsmöglichkeiten gibt es in 5 Minuten Fußweg viele. Und 15 Minuten ist auch wirklich nicht weit, mit dem Fahrrad sehr bequem machbar.

Universität:

Das Semester begann Anfang September, ich bin Ende August schon angereist, da es in den ersten Wochen sehr viele (in-)offizielle Willkommensveranstaltungen gab. Es ist definitiv gut, an vielen Veranstaltungen teilzunehmen, um Kontakte zu knüpfen. Trotzdem sollte man sich nicht zu großen Druck machen, wenn man mal bei der einen oder anderen fehlt. Vor Ort gibt es wieder ein paar organisatorische Dinge zu erledigen, wie z.B., sich als EU Resident anzumelden. Man hat die Möglichkeit, sich eine sogenannte CPR-Nummer zu holen, wodurch man automatisch krankenversichert ist, eine Ärztin zugewiesen bekommt und generell einige bürokratische Dinge erleichtert sind. Bei einem halbjährigen Aufenthalt ist es aber auch nicht schlimm, wenn man die Nummer nicht hat.

Da ich kein Dänisch kann, gab es innerhalb von Psychologie an der Universität nur begrenzte Kurswahlmöglichkeiten. Ich konnte zwischen fünf „Elective Courses“ wählen, die alle 7,5, 10 oder 15 ECTs gaben. Inhaltlich haben die Kurse Seminaren geähnelt. Da ich bisher nur ein Semester in Präsenz studiert hatte, waren die Seminare für mich eine sehr neue Erfahrung. Ich habe die vielen Diskussionen extrem wertgeschätzt und konnte dadurch einiges dazulernen. Die Dynamik zwischen Dozent*innen und Studierenden war locker und Hierarchien waren kaum zu erkennen, was mir sehr gefallen hat. Die Kurse bestanden zum Großteil auch aus anderen internationalen Studierenden, wodurch ich viele unterschiedliche Perspektiven kennenlernen konnte und Wissensstände von anderen Ländern und Universitäten mit meinem eigenen vergleichen konnte. Die Vorbereitung für die Kurse bestand daraus, sehr viel Literatur zu lesen. Diese Erfahrung hatte ich in Deutschland noch nicht gemacht, aber ich fand es hilfreich, mich mit vielen Artikeln auseinanderzusetzen. Leistungsnachweise wurden in meinen Kursen durch Hausarbeiten erbracht. Diese konnte man alleine oder mit maximal zwei anderen schreiben und hatten den Umfang von 12 bis 18 Seiten (je nach Anzahl der Mitarbeitenden). Da ich vor allem Klausuren gewohnt war, waren die Hausarbeiten eine neue und gute Erfahrung. Wissenschaftliches Schreiben, besonders auf Englisch, ist eine wichtige Fähigkeit, die hier definitiv trainiert wird. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass der allgemeine Anspruch während der tatsächlichen Veranstaltung niedriger war als ich es in Heidelberg gewohnt war. Das mag möglicherweise daran liegen, dass es sich um „Elective Courses“ und nicht Vorlesungen o.ä. gehandelt hatte. Trotzdem würde ich sagen, dass der akademische Zugewinn, besonders was direkte Fakten und Wissen betrifft, nur bedingt ist. Dadurch ist natürlich das Semester etwas entspannter. Es kommt also darauf an, welche Erwartungen man an die Zeit hat. Der Campus der Sozialwissenschaften, wozu hier Psychologie gezählt wurde, befindet sich direkt in der Innenstadt. Dadurch ist er super zu erreichen und nach der Uni können gut andere Unternehmungen betätigt werden.

Kopenhagen selbst als Stadt: Bezüglich der Stadt selbst kann ich nur sagen, dass Kopenhagen wirklich wunderschön ist. Ich habe noch keine Ecke entdeckt, die nicht irgendeinen Scharm hatte. Die Stadt hat Cafés an jeder Ecke, Strände, Seen und sehr viele Parks. Es gibt auch jede Menge Bars, z.B. Studenterhuset ist eine coole Studentenbar, in der man Rabatte bekommt und sehr viele internationale Studierende trifft. Der einzige Mangel ist das Wetter, das im Winter sehr grau und dunkel ist. Kopenhagen ist eine unglaublich fahrradfreundliche Stadt mit Fahrradwegen, von denen man hier nur träumen kann. Ich empfehle allen, sich ein Fahrrad zu kaufen oder über Dienste wie Swapfiets zu mieten. Man kommt überall innerhalb von 15-20 Minuten gut hin und die Stadt ist am besten zu erleben und zu sehen, wenn man sich auf dem Fahrrad befindet. Die Metro kann an schlechten Tagen auch gut genutzt werden, ist aber recht teuer. Man sollte sich unbedingt eine Rejsekort holen, das ist eine Metrokarte, auf die man Geld lädt. Die macht das Metrofahren um einiges billiger, und wenn man sie am Bahnhof holt, kann man sie personalisieren, wodurch es noch mal billiger ist. Auch die Anreise nach Kopenhagen empfiehlt sich mit dem Zug, wenn man Geduld hat. Zwar bin ich aus Freiburg recht lange unterwegs, aber man muss nur einmal in Hamburg umsteigen. Dadurch ist die Fahrt bei pünktlichen Zügen ziemlich entspannt. Was Aspekte der Nachhaltigkeit angeht, ist Kopenhagen relativ fortschrittlich. Außerdem wird wirklich überall bargeldlos gezahlt, wodurch das Umtauschen von einer großen Menge Geld vor der Reise überflüssig ist. Etwas Bargeld schadet nicht, falls man mal auf einem Flohmarkt ist oder ein Fahrrad von einer Privatperson nur bar zahlen kann. Kopenhagen ist eine ziemlich teure Stadt. Man sollte also nicht mit der Einstellung hierher kommen, dass man viel sparen wird. Aber durch vieles Kochen daheim zum Beispiel kann man schon eine Menge einsparen. Leider gibt es aber quasi keine Studierendenrabatte, höchstens Rabatte für unter 25-Jährige. Aber man kann seine Augen aufhalten für jährliche Aktionen, wie Kunstnächte oder eine Woche, in der Museumseintritte kostenlos sind.

Alles in allem kann ich einen Auslandsaufenthalt in Kopenhagen definitiv weiterempfehlen. Nicht nur ist die Stadt schön, extrem lebenswert und gibt sehr viele Möglichkeiten für Unternehmungen. Die Menschen sind offen, sehr international orientiert und die Universität gibt Raum, um neue Perspektiven kennenzulernen. Außerdem bietet ein Auslandssemester generell sehr gute Möglichkeiten, um mehr über sich selbst zu lernen.

Generelle Tipps zusammenfassend:

  • Wenig Bargeld notwendig
  • In Wohnheimen triffst du die meisten Leute (v.a. Wohnheime mit WGs)
  • Metrokarte kaufen
  • Viel selbst kochen anstatt außerhalb essen zu gehen
  • Fahrrad kaufen oder mieten
  • Wochen mit kostenlosen Museumseintritten nutzen und immer über Aktionen informieren
  • Spaß haben!! Vor allem am Wochenende ist immer irgendwo etwas los!