Zürich, WS 21/22 (MSc)

Zürich, Wintersemester 2021/2022 (Master)

Es ist Winter, das genaue Datum weiß ich nicht mehr, die Luft ist kalt und lüftet den diesigen Schleier über dem Zürisee. Ich blicke die Straße entlang und zum ersten Mal sehe ich am Horizont die Berge. Schneebedeckte Kämme schieben sich hintereinander und verblassen milchig-weiß am Horizont. All das brennt sich so lebhaft in mein Gedächtnis ein, als wäre ich immer noch dort.

Ja, Zürich ist schön. Bildschön. Zürich ist so schön, dass es fast absurd ist. Als Rheinländer bin ich es nicht gewohnt, dass man in einen Fluss mehr als vier Zehen halten kann, ohne zu ertrinken. Der Limmat hingegen lädt dich zum Baden ein und schreibt dir hinterher noch, wie schön es war. Die Kirchen sind holzgetäfelt und erinnern eher an gemütliche Wohnzimmer als an gotisch-kalte Steinriesen. Und wenn du Sport machen willst, geh einfach in einen Calisthenics-Park – Rooftop, mit Blick auf die Alpen.

Und Zürich ist reich. Steinreich. Zürich ist so reich, dass du dich dort immer arm fühlen wirst. Wenn Leute fragen, ob Zürich teuer ist, erzähle ich gerne, dass Bettler*innen dich dort standardmäßig nach 5 Franken (etwa 5€) fragen. Ein Bier im Club: 8 Franken. Eine Pizza: 20 Franken. Gott sei Dank gibt es auch dort Lidl und Aldi. Wenn du also ein paar Wochen von Maultaschen und Nudeln leben kannst, dann bist du mit 10 Fr. am Tag für Essen dabei. Für die Miete solltest du etwa 900 Fr. pro Monat einplanen (Studio / ein Zimmer Wohnung) bzw. 500-600€ für ein WG-Zimmer. Mir wurde erzählt, dass die Zimmervermittlung der Universität nicht-deutsche Studierende bevorzugt, was sich auch mit meinen Erfahrungen deckt. Hat sicherlich gute Gründe, war aber für uns Deutsche sehr frustrierend. Denn…

… der Wohnungsmarkt in Zürich ist angespannt. Zum Zerreißen. Zwischenmieten und WG-Zimmer werden hier innerhalb von 1-2 Tagen inseriert und vergeben. Auf jede Annonce kriegen die Anbieter zig Anfragen, wodurch der Wohnungsmarkt extrem schnelllebig ist. Ich habe in meiner Zeit dort (Herbstsemester 2021) zweimal die Wohnung gewechselt und war einen Monat im Hostel. Letzteres würde ich keinem empfehlen, das ging sehr auf die Psyche. Erfreulicherweise war die Verwaltung mit An- und Ummeldegebühren durchweg sehr kulant.

Und Zürich ist pünktlich. So richtig, richtig pünktlich. Ich habe in 4 Monaten keinen einzigen verspäteten Zug erlebt. Wirklich, keinen! Allerdings setzen Züricher dieses Ausmaß an Planungsfähigkeit auch von dir voraus. Die Seminare sind über die ganze Stadt verteilt und häufig reichen die Pausen nicht, um die Strecken zu schaffen. Ich habe mich natürlich vorher nicht schlau gemacht und musste mich im Nachhinein von zwei Seminaren wieder abmelden. In 15 Minuten einmal durch die Stadt war einfach nicht machbar.

Auch das Erasmus-Netzwerk ist gut organisiert, das meiste läuft aber über Telegram-Gruppen. Das PI in Zürich organisiert nochmal speziell für Austausch-Psycholog*innen eine eigene Gruppe und eigene Veranstaltungen, aber Hand aufs Herz, die waren mir alle etwas zu gesittet und ich bin nur zu einer PI-Veranstaltung gegangen. Jedenfalls wirst du mit etwas gutem Willen viel Anschluss finden. Die Wohnheime haben eigene Veranstaltungsräume für Partys, also selbst wenn du dort keine Wohnung findest, wirst du dort viel Zeit verbringen.

Zur Lehre: Die ist super. Das Anspruchsniveau ist mit dem an der Uni Heidelberg vergleichbar, Unterrichtssprache ist Englisch oder (Hoch-)Deutsch. Allerdings werden die meisten Kommilitonen mit dir Züri-Deutsch sprechen. Ist halb so wild, man versteht als Deutsche/r ad-hoc etwa 70%, der Rest kommt relativ schnell. Und im Zweifel einfach Lächeln und Nicken, Züricher sind zu höflich, um dann nochmal nachzuhaken.

Den Teil zur Anreise spar ich mir, von Deutschland nach Zürich ist wirklich kein Hexenwerk. Aber falls du vorhast innerhalb der Schweiz zu reisen, würde ich empfehlen nach Coupons für ein „Schnupper-Halbtax-Abo“ Ausschau zu halten. Halbtax entspricht der Deutschen Bahncard 50 und wird normalerweise für 180 Fr. jahresweise verkauft. Das Schnupper-Abo gilt dann nur für 3 Monate und kostet 35 Fr. Gibt’s aber nur gegen einen entsprechenden Coupon.

Würde ich es wieder machen? Definitiv ja. Ich war vor wenigen Tagen nochmal in Zürich und habe dort Freunde aus dem Ersasmus/ SEMP – Programm getroffen. Ich bin sehr dankbar, diese Menschen kennengelernt und in meinem Leben zu haben. Aber die ganze Organisation um Wohnung, Geld und Überleben nagt schon an den Nerven. Und gerade ist es auch schön, mal nicht täglich auf’s Konto schauen zu müssen.