Kopenhagen WS 2021/22 (MSc)

Kopenhagen 4EU+, Wintersemester 2021/2022 (Master)

Im Wintersemester 2021/22 habe ich von Mitte August bis Ende Januar die Universität Kopenhagen im Rahmen meines Erasmus-Auslandssemesters besucht. Mit diesem Erfahrungsbericht möchte ich gerne meine Erfahrungen mit dem Studium in Kopenhagen, der Stadt und dem Land sowie andere Erlebnisse teilen.

Das Studium an der Universität Kopenhagen

Das Department of Psychology (Institut für Psychologie) ist an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Kopenhagen angegliedert. Der sozialwissenschaftliche Campus der Uni ist der City Campus inmitten der Stadt. Das Gebäude ist ein ehemaliges Krankenhaus aus dem 19. Jahrhundert und trägt den dänischen Namen Center for Sundhed og Samfund (kurz CSS). Der Campus ist sehr gut erreichbar und direkt am botanischen Garten sowie nur ein paar Gehminuten von der belebten Innenstadt entfernt. Obwohl man das Flair des ehemaligen Krankenhauses zum Teil in den Räumen spürt, ist das Gebäude und der Campus sehr schön und gemütlich gestaltet; hier konnte ich sehr angenehm studieren, lernen und auch mit Freunden abhängen, denn auf dem Campus gibt es diverse Cafeterien und Cafés, die zum Teil von Fachschaften betrieben werden und verhältnismäßig sehr günstiges Essen und Getränke anbieten.

Neben dem City Campus gibt es noch den North Campus für natur- und humanwissenschaftliche Fächer, den geisteswissenschaftlichen South Campus sowie den Frederiksberg Campus (Frederiksberg ist eine eigenständige Enklave innerhalb der Stadt Kopenhagen; den Übergang zwischen den beiden Kommunen merkt man jedoch überhaupt nicht, da die Städte ineinanderfließen).

Ich habe die Kopenhagener Kommiliton:innen als sehr aktive und engagierte Studierende kennengelernt. Das zeigte sich sowohl innerhalb als auch außerhalb von Veranstaltungen. In meinen Seminaren herrschte stets eine sehr aktive Diskussionsteilnahme mit sehr aufgeklärten und zum Teil auch provokanten Positionen. Verglichen mit meinen Erfahrungen aus deutschen Universitäten waren zum Beispiel feministische und auch kultursensitive Perspektiven sehr viel stärker vertreten, was immer zu aufschlussreichen Diskussionen geführt und eine anregende Seminaratmosphäre geschaffen hat. Doch auch außerhalb des Hörsaals waren viele Studierende sehr engagiert und aktiv. So haben sich die dänischen Studierenden des Instituts für Psychologie aktiv in eine große Novelle des Lehrplans eingebracht. Die Universität Kopenhagen ist eine der wenigen Universitäten in Dänemark und vor allem Europa, welche die psychologische Lehre und Forschung noch nicht gänzlich auf neowissenschaftliche und naturwissenschaftliche Praxen ausgerichtet hat. Die angesprochene Neuausrichtung des Lehrplans sah jedoch zum Beispiel vor, dass die Quantifizierung der wissenschaftlichen Psychologie zunehmen und internationale, englischsprachige Literatur gegenüber lokalen dänischen Werken bevorzugt werden sollte. Gegen diesen Plan des Instituts hat sich ein Großteil der Psychologiestudierenden gewehrt und eine Beibehaltung kultursensitiver, qualitativer sowie dänischer Perspektiven gefordert.

Zu Beginn des Semesters wurde vom Institut für Psychologie eine eintägige Einführungsveranstaltung für alle internationalen Psychologiestudierende abgehalten. An diesem Tag trafen wir (überwiegend Erasmus-Studierende) zusammen und haben verschiedene Kennenlernspiele und eine Schnitzeljagd über den Campus gemacht. Ich fand diesen Tag sehr hilfreich, um sich ein Netzwerk unter den internationalen Studierenden aufzubauen, denn in den meisten englischsprachigen Kursen, die man besucht, finden sich eher wenige Dän:innen (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel). Über das Semester hinweg hat uns zudem eine Gruppe aus Mentorinnen unterstützt und regelmäßige Exkursionen und Veranstaltungen organisiert.

Ich habe innerhalb des Semesters vier Kurse belegt, womit ich die nötigen 30 ECTS gefüllt habe und was meiner Erfahrung nach einem moderaten Pensum in Kopenhagen entsprach. Noch im August (bevor das Semester also offiziell begann) habe ich an einem zweiwöchigen Summer Course teilgenommen mit dem Titel Psychology of Self, in dem es um eine sozialpsychologische Perspektive auf das Thema Selbst ging. Während des Semester belegte ich dann die Seminare The Feeling of Being, das einen umfassenden kognitions- und neuropsychologischen Blick auf das Bewusstsein warf, Qualitative Research Methods, welches eine umfangreiche Einführung in qualitatives Forschen gab und in dem man selber ein kleines qualitatives Forschungsprojekt durchführen musste, sowie Perspectives on Sustainability, welches ein interdisziplinärer Kurs aller sozialwissenschaftlichen Fächer (Psychologie, Soziologie, Anthropologie, Ökonomie und Politikwissenschaften) war, in dem man in einem interdisziplinären Team eine Fallstudie zum Thema Nachhaltigkeit bearbeiten musste. Ich bin mit meiner Kurswahl sehr zufrieden gewesen; die Lehrenden waren allesamt sehr gut qualifiziert und – wie bereits beschrieben – fand ich den aktiven Austausch innerhalb der Kurse sehr lehrreich. Die Kurse waren meiner Meinung nach für das Master-Niveau angemessen.

Das Leben in Kopenhagen und Dänemark

Ich habe Kopenhagen als eine aufregende Hauptstadt erlebt, die mit ihrer Größe Neuankömmlinge nicht gleich überfordert (zumindest, wenn man eine Stadt der Größe Heidelbergs gewohnt ist). Gleichzeitig bietet die Stadt alles, um ein abwechslungsreiches und erfülltes Auslandssemester zu erleben.

Kopenhagen ist eine sehr schöne Stadt mit sichtlich skandinavischem Flair, einer schönen Innenstadt, vier kleinen Seen inmitten der Stadt, sehr unterschiedlichen Vierteln und einem Strand im Südosten. Kulturell hat Kopenhagen sehr viel zu bieten; international renommierte Kunstmuseen (z.B. die Ny Carlsberg Glyptotek, das dänische Nationalmuseum, die Cisternene oder das Louisana), kleine Botiquen (z.B. Den Frie Center of Contemporary Art) und auch geschichtliche und wissenschaftliche Museen. Abends kann man sehr gut im bunten und lebhaften Viertel Nørrebro ausgehen. Und wenn man studentische Preise bevorzugt, sind das Café Studenterhuset und die Bar Barkowski sehr zu empfehlen. Daneben gibt es in der Innenstadt unter anderem die Stadtresidenz der Königsfamilie Schloss Amalienborg, den Vergnügungspark Tivoli sowie die auf einem Märchen von Hans Christian Andersen basierende Bronzestaute einer Meerjungfrau zu entdecken. Spannend fand ich auch die autonome und selbstverwaltete Freistadt Christiana, die im östlichen Teil Kopenhagens liegt und viele unabhängige Künstler:innen und Freischaffende beherbergt. Und kulinarisch kommt man ebenfalls nicht zu kurz; zu empfehlen ist vor allem der Street Food Markt Reffen im Nordosten.

Obwohl der öffentliche Nahverkehr in Kopenhagen (und ganz Dänemark) sehr gut ausgebaut ist und einwandfrei funktioniert, bin ich selten Bus und Bahn gefahren, sondern habe jeden Tag mein Fahrrad genutzt. Kopenhagen wird seinem Ruf als Fahrrad-Welthauptstadt in jeder Hinsicht gerecht. Man kann sich entweder ein Fahrrad für die Zeit seines Aufenthaltes mieten oder man kauft ein gebrauchtes günstig ein. Durch jede Straße in Kopenhagen ziehen sich abgetrennte Fahrradspuren, von denen manche breiter sind als eine Autospur. Zu Stoßzeiten ist die grüne Welle auf die Geschwindigkeit der Fahrradfahrenden ausgerichtet und das Fahrrad hat / nimmt sich das Vorrecht gegenüber Autos. An jeder öffentlichen Stelle sind ausreichend Fahrradständer zu finden und man kommt mit keinem anderen Verkehrsmittel besser durch die Stadt. Ein Fahrrad gehört auf jeden Fall zu einem Leben in der Stadt dazu!

Dänemark ist spürbar ein skandinavisches Land und ich habe oft die engen Verbindungen zu seinen Nachbarländern Schweden und Norwegen erlebt: Zum einen besteht mit der Öresundbrücke eine direkte Verbindung von Kopenhagen ins benachbarte schwedische Malmö, zum anderen habe ich viele Schwed:innen und Norweger:innen in Kopenhagen erlebt. Neben Erasmus-Studierenden gibt es viele, die für ihr Vollzeitstudium nach Kopenhagen ziehen. Zudem besteht die Möglichkeit, in dänischsprachigen Kursen Prüfungsleistungen auch auf Schwedisch oder Norwegisch abzulegen. Weiterhin haben Dänen, Norweger und Schweden nur geringe Schwierigkeiten, sich untereinander zu verständigen (wahrscheinlich ist es ähnlich wie zwischen Deutsch und Niederländisch oder Deutsch und Schweizerdeutsch).

Ein wichtiger Teil der dänischen Tradition und des dänischen Lebensstiles ist das Konzept Hygge, was so viel wie Gemütlichkeit und Besinnlichkeit bedeutet. Hygge findet sich in der Architektur und dem sozialen Zusammenleben in Dänemark wieder und trägt sicherlich dazu bei, dass die Dänen zu den glücklichsten Menschen der Welt gehören. Auffällig fortschrittlich ist zudem die dänische Gesellschaft, denn die Gleichstellung von Mann und Frau und auch die Offenheit und Toleranz gegenüber geschlechtlicher und sexueller Orientierung ist deutlich zu spüren.

Formalitäten

Als EU-Bürger:in muss man sich vor dem Umzug nach Dänemark als sogenannter EU-Resident bei der Ausländerbehörde SIRI registrieren. Darüber wird man als Austauschstudent:in jedoch von der Universität Kopenhagen benachrichtigt. Zu empfehlen ist, die Anmeldung noch vor der Abreise online abzuschließen, sodass man im Anschluss nur einen kurzen Termin bei der Behörde wahrnehmen muss. Dort erhält man eine CPR-Nummer, mit der alle behördlichen Vorgänge registriert werden, sowie eine kostenlose Krankenversicherungskarte (die deutsche Krankenversicherung deckt weiterhin die grundlegende Versorgung ab, jedoch ist eine Auslandskrankversicherung zu empfehlen). Zudem kann man sich für den Onlinedienst NemID anmelden, mit dem man viele Behördengänge online abschließen kann. Im Allgemeinen ist die dänische Verwaltung sehr digital und arbeitet zügig. Mit seiner Registrierung kann man dann auch an einem kostenlosen Dänisch-Sprachkurs teilnehmen. Bargeld ist in Dänemark fast nicht nötig (ich musste nur einmal für eine Kopie in einem Copy Shop zum Geldautomaten). Überall kann man bargeldlos mit Karte zahlen (sogar im ÖPNV oder auf Festivals); zum Teil muss man das sogar, da kein Bargeld angenommen wird. Ein dänisches Bankkonto ist nicht notwendig, jedoch sollte man bei einer deutschen Kreditkarte auf den Wechselkurs und Transaktionsgebühren achten.

Die Lebenshaltungskosten in Dänemark und insbesondere Kopenhagen sind leider deutlich teurer als in Deutschland. Je nach dem, in welchem Supermarkt man einkauft, sind die Preise eineinhalb bis zweimal so hoch. Konsum und Unterhaltung sind ebenfalls teurer; vor allem Alkohol ist in Skandinavien deutlich teurer als in Deutschland. Und diese Preise spiegeln sich auch auf dem Wohnungsmarkt wider. Ich habe glücklicherweise eine Wohnung über die unieigene Housing Foundation erhalten, die ähnlich wie die Studierendenwerke in Deutschland Wohnheime anbietet. Deren Angebot ist jedoch sehr begrenzt und nach eigenen Angaben können pro Semester nur 50% der Anfragen bedient werden. Daher sollte man sich frühzeitig auf dem Portal der Housing Foundation registrieren und auf die Freischaltung der Wohnheime warten. Das Portal wird nämlich an einem Tag für alle Interessent:innen gleichzeitig freigeschaltet (das Datum wird im Voraus mitgeteilt), woraufhin ein großer Ansturm auf die freien Plätze besteht. Daher sollte man sehr schnell und pünktlich sein (ich habe 15 Minuten nach Öffnung des Portals auf den Link geklickt und musste über drei Stunden warten, bis ich in der Schlange vorgerückt war). Die Wohnheime der Housing Foundation sind in der ganzen Stadt verteilt. Es werden Einzelzimmer-Apartments sowie WGs sowohl in der Innenstadt als auch am Stadtrand angeboten, die meiner Erfahrung nach eine mindestens gute Ausstattung besitzen (mit etwas Glück erbt man die Küchenutensilien seines Vormieters und muss sich darüber keine Gedanken machen). Für Kopenhagener Verhältnisse ist die Miete durchschnittlich, für deutsche Verhältnisse aber sehr teuer. Jedoch kann man sich auch eigenständig auf die Suche nach einer Wohnung machen. Dafür ist vor allem Facebook zu empfehlen. Allgemein ist Facebook und der Facebook Messenger in Skandinavien sehr weit verbreitet; die wenigsten kennen oder nutzen WhatsApp.

Zuletzt möchte ich noch kurz auf die Kommunikation mit der Universität eingehen. Ich habe stets rechtzeitig ausreichend Informationen vom International Office der Universität Kopenhagen erhalten. Und auch die entsprechende Abteilung im Institut für Psychologie war jederzeit ansprechbar, hat geholfen und mir schnell Unterstützung zukommen lassen.

Insgesamt bin ich sehr glücklich mit meinem Auslandssemester in Kopenhagen. Ich hatte zudem das Glück, inmitten der Corona-Öffnungen im Land meinen Aufenthalt zu haben, wodurch ich fast das ganze Semester über eine gewissen Normalität erleben durfte. Die Dänen habe ich als aufgeschlossene und angenehme Menschen empfunden und das (Psychologie)-Studium an der Universität Kopenhagen hat mir aufregende neue Einblicke gewährt. Bei Fragen rund um ein Auslandssemester in Kopenhagen stehe ich sehr gerne zur Verfügung.