Nantes WS 2020 + SS 2021 (BSc)

Nantes, Wintersemester 2020/2021 (Bachelor)

Anreise, Vorbereitungen und Ankunft

Der Bewerbungsaufwand für meinen Aufenthalt in Nantes war etwas größer, als ich von anderen Erasmus-Studierenden an anderen Universitäten gehört habe. Nachdem ich mich erst einmal in Heidelberg beworben hatte und akzeptiert wurde, musste ich mich noch einmal getrennt davon in Nantes bewerben und dafür alle Bewerbungsdokumente (Lebenslauf, Motivationsschreiben) auf Französisch übersetzen. Da ich mein Erasmus-Jahr jedoch zum Wintersemester angetreten bin, hatte ich über den Sommer genug Zeit meinen Aufenthalt zu organisieren. Die Zusage vom Wohnheim kam auch rechtzeitig, allerdings sollte man nicht in Panik verfallen, wenn man auf Rückfragen oder auch nach dem Einsenden verlangter Dokumente nichts mehr von der Uni hört, da der Betrieb über den Sommer sehr zurückgefahren ist. Vor Ort war die Betreuung dafür dann aber sehr hilfreich und unterstützend!

Angereist bin ich mit dem Auto, von Heidelberg aus sollte die Strecke aber auch gut mit dem Zug machbar sein. Ansonsten hat Nantes auch einen Flughafen. Da ich mit dem Auto gekommen bin, hatte ich relativ viele Sachen dabei (was sich beim Auszug dann auch bemerkbar gemacht hat), an sich würde ich aber im Nachhinein betrachtet sagen, dass maximal zwei Koffer auch gereicht hätten. Bettwäsche konnte man um 26 Euro im Wohnheim neu kaufen, musste also nicht mitgebracht werden. Außerdem gab es vom ESN (Erasmus student network) das Angebot, um einen Euro einen ganzen Sack voll Geschirr zu bekommen, was also auch nicht mitgebracht werden muss.

Da Frankreich Wohngeld auch an nicht-Staatsbürger*innen mit Wohnsitz in Frankreich zahlt, empfiehlt es sich, dieses so schnell wie möglich nach der Ankunft auf der Seite des CAF zu beantragen. Dazu wird allerdings ein französisches Bankkonto und soweit ich mich erinnern kann auch die Studienbescheinigung benötigt.

Unterkunft

Für die Dauer meines Erasmus-Aufenthalts habe ich in einem Studierendenwohnheim (La Bourgeonnière) im Norden von Nantes gewohnt. Mit der Bahn habe ich so zwar etwa 20 Minuten ins Stadtzentrum gebraucht, war dafür aber sehr nahe an der Uni. Mein Zimmer war nur 9m2 groß, dafür hatte ich aber ein eigenes Bad (das in den 9m2 mitinbegriffen war). Miete habe ich 254,80 Euro im Monat bezahlt. Ich würde sagen, dass das Zimmer bei Bezug wirklich sehr sauber und auch mit allem Nötigen ausgestattet war. Das Bett war sehr schmal (schmäler als 90cm), ließ sich dafür tagsüber hochfahren, sodass man die Sitzecke darunter nutzen konnte. Ansonsten gab es einen großen Schreibtisch und auch einen geräumigen Kleiderschrank, der für Erasmus-Zwecke auf jeden Fall ausreichend war! Einen eigenen Kühlschrank hatte ich auch. Alles in allem war das Zimmer zwar wirklich gewöhnungsbedürftig klein, dafür aber sehr gut ausgestattet, vergleichsweise günstig und für Erasmus-Zwecke absolut ausreichend.

Es gibt allerdings die Möglichkeit, auch um ein größeres Zimmer zu bitten, was dann aber um einiges teurer ist. Ansonsten ist es natürlich auch eine Möglichkeit, sich auf dem Privatmarkt nach einer Wohnung umzusehen, was ich so mitbekommen habe, ist das aber ziemlich teuer.

Uni

Das Wintersemester hat in Nantes schon Mitte September (also um einiges früher als in Heidelberg) angefangen. Da ich trotz Corona meinen Erasmus-Aufenthalt angetreten bin, war ich natürlich darauf vorbereitet, dass meine Auslandserfahrung anders sein würde, als ich ursprünglich erwartet hatte. Dennoch hatte ich in den ersten beiden Monaten (September und Oktober) Präsenz-Unterricht. Im Großen und Ganzen fand ich den Unterricht wesentlich verschulter als in Deutschland. Tatsächlich ist die Präsenzzeit für einen gleichwertigen Kurs in Frankreich wesentlich höher als in Deutschland, was bei mir dazu geführt hat, dass ich mehr Anwesenheitszeit als in der Schule hatte. Man sollte außerdem darauf vorbereitet sein, dass die Mitschriften wesentlich wichtiger sind als in Deutschland. Teilweise wurden Foliensätze von Dozierenden nicht zur Verfügung gestellt, mussten also während der Vorlesung abgeschrieben werden. Da das für mich vor allem anfangs sehr schwierig war, habe ich dann häufig Kommiliton*innen um deren Mitschriften gebeten und muss sagen, dass eigentlich alle da immer sehr hilfsbereit waren!

Auch die Kurswahl ist für die regulär Eingeschriebenen Studierenden sehr eingeschränkt, da es für jedes Semester eine genaue Vorgabe gibt, welche Kurse belegt werden müssen. Als Erasmus-Studentin hat mich das allerdings nicht betroffen. Da ich zum Zeitpunkt meines Erasmus-Aufenthalts im 5. Fachsemester eingeschrieben war, durfte ich Kurse aus allen drei Bachelorjahren und aus dem ersten Masterjahr wählen. Außerdem durfte ich 30% meiner Kurse aus einem fachfremden Bereich wählen. Im ersten Semester habe ich Neuro I, Psychopathologie (mit Schwerpunkt auf Suchterkrankungen), Diagnostik, affektive und kognitiv-affektive (Dys-) Funktionen und Geschichte der Philosophie belegt. Im zweiten Semester habe ich Neuro II, zwei Kurse in der Sozialpsychologie, kognitive Psychologie der Gesundheit und allgemeine Philosophie belegt. Es gibt auch das Angebot, einen Französisch-Kurs zu belegen. Das habe ich im Sommersemester dann auch gemacht und sogar 6 LP dafür bekommen.

Die Räumlichkeiten der Uni waren angenehm (auch, wenn die Gebäude nicht die allerschönsten sind), mit einem ziemlich großen Campus und mehreren Cafeterien. Anfangs ist es ratsam, etwas mehr Zeit einzuplanen, um den Raum zu finden, ich fand aber, dass das Ganze dann doch relativ schnell sehr überschaubar wurde.

Leben in Nantes

Als ich mich für Erasmus beworben hatte, wollte ich ursprünglich unbedingt nach Paris, da ich dort aber kein Psychologie hätte machen können, bin ich am Ende nach Nantes gegangen und war dann auch sehr glücklich mit dieser Entscheidung! Allein die Lage der Stadt fand ich sehr ansprechend. In nur etwas mehr als einer Stunde ist man mit dem Bus (Linie 303 von Nantes-Pirmil, für nur 2,60) in Pornic, einem sehr schönen Ort direkt am Atlantik. Durch Nantes selbst fließen sowohl die Loire als auch die Erdre. Es gibt also auch die Möglichkeit, mit einer Fähre von Nantes aus über die Loire bis zum Meer zu fahren. Das Stadtbild als solches fand ich auch sehr ansprechend. Echt auffallend waren die vielen, wirklich schönen Parks und Grünflächen, die ich in diesem Ausmaß sonst in noch keiner Großstadt gesehen habe.

Nantes ist außerdem eine sehr junge, offene und studentische Stadt mit unglaublich vielen Bars, Cafés und auch ganz vielen gratis Festivals im Sommer/Herbst (falls diese demnächst wieder stattfinden). Was mich persönlich aber am meisten begeistert hat, ist das große politische Engagement in Nantes. Jeden Samstag gibt es eine Pflicht-Demo, die meistens auch sehr gut besucht sind. Natürlich muss man das mögen und es ist dazu zu sagen, dass es dafür eher ungünstig ist, samstags dringend auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen zu sein. Durch die Stadt läuft außerdem eine grüne Linie am Boden, die Teil der „voyage à Nantes“ ist und an der entlang man viele temporäre oder auch dauerhafte Kunstwerke oder Museen findet. Als ich ankam, war so beispielsweiße zeitweise ein Wasserfall vom Dach des Theaters Graslin in ein großes Wasserbecken vor dem Gebäude installiert. Ein Ausflug nach Trentemoult mit der Fähre (mit ganz gewöhnlichem Öffi-Ticket nutzbar) ist ebenfalls sehr empfehlenswert. Trentemoult liegt auf der Île de Nantes und sah in meinen Augen aus, wie ein kleines, künstlerisches Dorf in einem mediterranen Urlaubsort.

Als Fazit kann ich auf jeden Fall sagen, dass ich meine Auslandserfahrung sehr schön fand und am Ende auch gerne noch länger geblieben wäre. Sowohl aus einer akademischen als auch einem sozialen Perspektive her betrachtet, fand ich meinen Aufenthalt in Nantes sehr bereichernd und kann Nantes sowohl als Universität, als auch als Stadt sehr empfehlen!