(9) Gesamtmodell zur Rezeption argumentativer (Un-)Integrität

Die bisherigen Einzelbefunde zum Einfluß relevanter Variablen auf das Unintegritätsurteil wurden in einer weiteren Untersuchung empirisch integriert. Dabei wurden die in bisherigen Studien einzeln vorgegebenen und für den Diagnoseprozeß als bedeutsam nachgewiesenen Kontextinformationen (‘Intensität der Regelverletzung’, ‘Kompetenz’, ‘Selbstkorrektur’, ‘weiterreichende Absichten’ der unfair argumentierenden Person) und Basiskomponenten (‘Ausmaß der subjektiven Tatbestandsmäßigkeit’ bzw. ‘Grad der Absichtlichkeit’ und ‘Wertigkeit der objektiven Tatbestandsmerkmale’ bzw. ‘Wchwere des Regelverstoßes’) gemeinsam auf ihren Einfluß auf das Unintegritätsurteil überprüft. Die empirische Modellierung erfolgte im Rahmen des Szenario-Ansatzes durch die Vorgabe von entsprechend variierten Argumentationsepisoden. Durch die dichotome Ausprägung der als unabhängigen Variablen angesetzten Kontextinformationen und der Basiskomponente ‘Valenz’ (vorhanden/hoch vs. nicht vorhanden/niedrig) bzw. der als 3-stufig konzipierten Basiskomponente ‘subjektive Tatbestandsmäßigkeit’ (unwissentlich, leichtfertig, absichtlich) entstand ein 2x2x2x2x2x3-Design; als zentrale abhängige Variable interessierte das Unintegritätsurteil i.S. der Vorwerfbarkeit der argumentativen Regelverletzung; zusätzlich wurden die von den Untersuchungsteilnehmern/innen als relevant erachteten Informationen aus der Argumentationsepisode in Form offener Fragen erhoben. Zur Auswertung des Datensatzes (N=282) wurde ein logistischer Regressionsansatz gewählt, der neben einer Abschätzung des Gesamt-Effektes der Basiskomponenten und gesprächsbegleitenden Variablen auch die prognostische Relevanz einzelner Variablen im Rahmen des Gesamtgefüges erlaubt. Bei einer guten Anpassung des Gesamtmodells an die Daten konnten die gerichteten Hypothesen überwiegend bestätigt werden: Hohe Intensität, hohe Kompetenz, fehlende Korrektur, negative weiterreichende Absichten und hohe Valenz der Regelverletzung führten zu einem (teils tendentiell, teils signifikant) höheren Anteil an Unintegritätsurteilen. Die Ergebnisse betonen die hohe Bedeutsamkeit der Valenz einer argumentativen Regelverletzung für das Unintegritätsurteil und verdeutlichen (nochmals) die Relevanz von Kontextinformationen (vgl. Mischo, Mlynski, Christmann & Groeben in Vorb.). Insgesamt stützen die Ergebnisse die Konzeptualisierung des Unintegritätsurteils als eines mehrstufigen Diagnoseprozesses, der von den Basiskomponenten der ‘objektiven Schwere eines Regelverstoßes’ und dem ‘Grad der Absichtlichkeit’ ausgehend weitere, die ‘Rechtswidrigkeit’, ‘Schuldhaftigkeit’ und Sanktion betreffende Kontextinformationen berücksichtigt.

Publikationen

Christmann, U., Mischo, C., & Groeben, N. (2000). Components of the evaluation of integrity violations in argumentative discussions: Relevant factors and their relationships. Jour­nal of Language and Social Psychology. 19 (3), 315-341.


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