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Rezension Wilcken & Rochow (2000)

Susanne Wilcken & Michael Rochow:

Rückfallprävention bei Alkoholismus. Fähigkeiten im Fokus: Ein Manual.

Hans Huber, Bern 2000. 97 S. plus 7 S. Material, DM 34,80.

Von Joachim Funke

Aus Report Psychologie 25, 2000, Seite 532

Das vorliegende gut 100 Seiten starke Büchlein aus der Reihe "Klinische Praxis“ des Huber-Verlags soll den in der Praxis Tätigen eine Anleitung zum Rückfallpräventions-Training (RPT) für Alkoholabhängige geben. Es handelt sich hierbei nicht um eine wissenschaftliche Monographie zum Thema Alkoholismus und Rückfall, sondern um einen praktischen Leitfaden für die Arbeit mit Alkohlabhängigen, entstanden in mehrjähriger klinisch-praktischer Arbeit an der Universitätsklinik in Lübeck.

Das Buch gliedert sich in zwei Teile: Ein erster Teil behandelt Grundlagen des Alkoholismus und geht näher auf die Themen "Rückfall“ und "Rückfallprävention“ ein. Der zweite Teil enthält den praktischen Leitfaden für Therapeuten, der im wesentlichen aus der detaillierten Darstellung dreier Trainingseinheiten besteht. Auf beide Teile will ich kurz eingehen, ehe eine abschließende Bewertung vorgenommen wird.

Die in den ersten sechs Kapiteln auf rund 40 Seiten dargelegten Grundlagen zum Thema Alkoholismus und Rückfallprävention sind informativ, können jedoch nicht den Anspruch auf eine tiefergehende Darstellung der Problematik für sich in Anspruch nehmen. Sie bieten dem Praktiker eine kurze Zusammenfassung dessen, was er in der einschlägigen Literatur ausführlicher und sicherlich auch klarer vorfindet. Was mich ein bisschen gestört hat: die etwas lieblose Aneinanderreihung von Ansätzen und Theorien (z.B. in Abschnitt 2.4), die den Leser etwas ratlos zurücklässt, da keine abschließende Bewertung vorgenommen wird. Was auch nicht jedermann schmecken dürfte, ist die etwas pathetisch gehaltene Darstellung der therapeutischen Grundhaltung ("Nur wer das Feuer in sich selbst trägt, kann es auch in anderen entzünden.“). Dennoch bleibt positiv festzuhalten: hier wird eine kurze Grundlegung der therapeutischen Vorgehensweisen geliefert, die ich in dieser kompakten Form für durchaus brauchbar halte.

Teil 2, der praktische Leitfaden für Therapeuten, erhebt nicht den Anspruch wissenschaftlicher Präzision, sondern muss unter dem Blickwinkel praktischer Nützlichkeit gesehen werden. Das hier zusammengestellte Trainingsmanual erfüllt diesen Anspruch sicher in weiten Teilen. Die drei dargestellten Trainingseinheiten (Trainingstag 1: Risikosituationen, Trainingstag 2: Rückfallbewältigung, Trainingstag 3: Ressourcen) geben dem Therapeuten nicht nur einen genauen Ablaufplan mit detaillierten Zeitangaben, sondern erläutern auch die Inhalte der einzelnen Übungsbestandteile. Materialien, die im Verlaufe dieser Trainings benötigt werden, sind in einem Anhang enthalten, der insgesamt sieben verschiedene Arbeitsmaterialien in kopierfähiger Form enthält.

Die wesentlichen Bausteine, die das Rückfallpräventions-Training enthält, sind die folgenden fünf: 1. Informationen und Basiswissen zur Rückfallproblematik, 2. Techniken zur Entspannung, 3. Analyse von individuellen Risikosituationen, 4. Aufbau von Coping-Strategien und Aktivieren von Ressourcen, 5. Einüben neuer Verhaltensweisen im Rollenspiel. Auch wenn den meisten praktisch Tätigen einzelne Elemente dieser Liste bereits bekannt vorkommen dürften - Entspannungsübungen gehören sicherlich zum Handwerkskasten jedes Therapeuten - ist doch die ausführliche Darstellung und Beschreibung des praktischen Vorgehens durchaus hilfreich. Hier hätte ich mir allerdings gewünscht, dass zu Beginn des praktischen Leitfadens deutlich gemacht wird, dass das Training ausgerichtet ist auf zwei Therapeuten, die 12 Patienten an drei Nachmittagen zur Verfügung haben und die über mehrere Räumlichkeiten sowie eine Tafel (Metaplan-Wand) verfügen sollten. Dieses "Zubehör“ wird erst im Laufe des Manuals eingeführt, stellt aber ein wichtiges Element des gesamten "Settings“ dar. Auch wenn einige Teile des Manuals redundant sind (die gut halbseitige "Begrüssung und Vorstellung“ habe ich spätestens nach dem dritten Mal begriffen), erweist sich doch der Detailliertheitsgrad des Manuals im großen und ganzen als brauchbar.

Ein auf Basis der kognitiven Verhaltenstherapie erstelltes Therapiemanual zur Rückfallprävention bei Alkoholikern stellt sicher eine verdienstvolle Leistung dar. Allerdings ist schade, dass die Evaluationsergebnisse des hier vorgelegten Programms auf Seite 1 in zwei Sätzen kurz zusammengefasst sind - hier hätte ich mir gerne etwas genauer Informationen darüber gewünscht, welche Elemente des RPT sich als wichtig erwiesen haben und wie insbesondere nachgewiesen wurde, dass die berichtete Senkung der Rückfallrate um rund 20% tatsächlich auf das RPT zurückzuführen gewesen sein konnte (und nicht etwa auf das besondere Engagement der beiden Therapeuten). Unter praktischen Gesichtspunkten hätte ich mir eine etwas bessere Aufbereitung des Textes gewünscht, da gerade im Manualteil die Untergliederung der verschiedenen Abschnitte nicht sehr deutlich vorgenommen wurde. Mit etwas besserem Layout (weniger Fett- und Kursivdruck) hätte der Verlag hier weiterhelfen können, genauso wie auch zahlreiche Rechtschreib- und Kommafehler die Lektüre stören.

Insgesamt handelt es sich um ein Büchlein, das - wie im Vorwort gesagt - "nutzbringend inspirieren kann“. Als Manual im Sinne einer Therapieanweisung, wie sie auch für andere Störungsbilder inzwischen in zahlreicher Form existieren, erscheint mir dieses Programm allerdings noch verbesserungsbedürftig hinsichtlich Angaben zur Indikation wie auch zur Evaluation. Den Autoren muss dies klargewesen sein, bieten sie doch am Ende an, direkt mit Ihnen Kontakt aufzunehmen und Fortbildungen sowie Supervisionen bei ihnen anzufordern.


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Zuletzt bearbeitet am 23.01.2002 von JF.