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Personen > Joachim Funke > Rezension Lexika (2002)

Rezension Lexika (2002)

Lexikonredaktion des Brockhaus-Verlag (Ed.). (2001):

Der Brockhaus Psychologie. Fühlen, Denken und Verhalten verstehen.

Mannheim: F.A. Brockhaus (704 Seiten, 49,95 €; ISBN 3-7653-0591-X).

Wenninger, G. (Ed.). (2000):

Lexikon der Psychologie in fünf Bänden. Erster Band A bis E.

Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag (457 Seiten, Subskriptionspreis bis 31.10.2002: 595 € bei Abnahme aller 5 Bände; ISBN 3-8274-0312-X).

Von Joachim Funke

Aus Psychologie Heute, 2002, Mai-Heft, Seite 81.

Lexika in Zeiten des Internet?

Wissen Sie, was Alkoholembryopathie ist? Mit ein bisschen Latein- und Griechischkenntnissen käme man vielleicht zur Lösung (alkoholbedingte Schädigungen des Embryos), aber was ist Algolagnie, wovon in einem Gutachten einer Kollegin die Rede war? Die psychologische Fachsprache ist doch umfassender als mancher denkt, und so zeigt erst ein Blick ins Lexikon, dass Lustgewinn durch Schmerz gemeint ist (oder, wie es im Internet bei www.so-erotisch.de heisst: Lust unter Schmerzen - der erste von 376 Google-Treffern zum Suchwort).

Zwei ungleiche, schwergewichtige Schwestern liegen vor mir: das einbändige, farbige Brockhaus-Lexikon Psychologie (BLP) sowie der erste Band (von 4 plus 1 Registerband) des schwarz-weissen Psychologie-Lexikons vom Spektrum-Verlag (PLS). Wer nicht ständig Internet-Zugang hat, wird bei der Sinnsuche hier vielleicht fündig - aber eben nur vielleicht: Während die Alkoholembryopathie von beiden Schwestern erläutert wird (bei PLS geht das Stichwort ein bisschen unter im Kontext von 20 alkoholbezogenen Einträgen im Vergleich zu 6 bei BLP, wo zusätzlich eine Farbgrafik die 14 häufigsten Missbildungen ihrer Häufigkeit nach aufführt), ist die Algolagnie nur PLS bekannt. Also doch gleich ins Internet?

Zum einen ist das Internet eben nicht immer zugänglich, wenn ich es gerade brauche - ein Lexikon kann ich jederzeit aus dem Regal entnehmen und rasch prüfen. Zudem ist gerade im Internet die Qualitätskontrolle problematisch - woher weiss ich, dass ich keinem Scherzbold aufgesessen bin? Gerade wenn ich mich in einem Gebiet nur wenig auskenne, kann ich als Laie die verschiedenen Qualitätsgrade kaum unterscheiden. Hier haben die Lexika einen klaren Vorteil, mit dem sie auch zu Recht werben.

Was die Qualität betrifft, liegt gelegentlich das kleinere BLP sogar noch vor dem umfangreicheren PLS, Beispiel „Autopoiese“: BLP erklärt nicht nur Silbentrennung und Etymologie, sondern nennt auch den Erfinder des Begriffs und liefert eine kurze Begriffsgeschichte samt kritischer Bewertung des Konzepts bei nur geringfügig größerer Druckfläche.

Was ist meine Kaufempfehlung? Für den Laien bzw. für diejenigen, die nur gelegentlich mit Psychologie zu tun haben und die zu ein paar wesentlichen Begriffen verständliche, gut illustrierte Erläuterungen suchen, ist BLP nicht zuletzt aufgrund seines vergleichsweise günstigen Preises zu empfehlen (die 23 Sonderartikel sind schnell zu finden). Die Aufmachung ist ansprechend, verlockt zum Blättern und Stöbern und erfüllt neben der Fachinformation auch einen gewissen Unterhaltungswert. Experten werden vieles, was sie suchen (Experten suchen eben nicht Aggression, sondern Algolagnie!), nicht in BLP finden. Hier ist die Suche im PLS erfolgreicher, wenngleich weniger stimulierend aufgrund weniger Abbildungen, und fehlender Farbe (PLS ist auch online absuchbar - pro Stichwort zwischen 1 und 3 DM oder im Jahresabo für 50 Euro). Im Vergleich zu BLP auffällig: deutlich weniger Abbildungen, deutlich mehr Text, darunter aber auch viele Querverweise mit fraglichem Wert: Wenn ich unter „Alkoholmissbrauch“ den Querverweis auf „Alkoholkrankheit“ finde (das darüber stehende Stichwort), oder unter „Encounter-Bewegung“ den Hinweis auf den direkt folgenden Eintrag „Encountergruppen“, ist das zwar gut gemeint, aber überflüssig. Die 130 ausführlichen Essays, von bekannten Fachleuten geschrieben, sind gute Bereichsüberblicke und enthalten weiterführende Literatur (die Essays stimmen übrigens weitgehend überein mit denjenigen der CD-ROM für 16 Euro, Asanger & Wenninger, 1999: Handwörterbuch Psychologie). Auch die rund 500 Biografien bedeutender Psychologen sind nicht zu unterschätzen. Aber all das hat seinen Preis - und den finde ich in diesem Fall zu hoch! Das können sich eigentlich nur noch Bibliotheken leisten - und die wollen heute lieber digitale Daten als dicke Schinken. Im Hinblick auf „value for money“ ist BLP in diesem Paarvergleich Sieger nach Punkten!


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Zuletzt bearbeitet am 03.04.2002 von JF.