Messung
des Gesichtsausdrucks
Wie
kann man den Gesichtsausdruck eines Menschen möglichst genau
und objektiv messen?
Es
gibt eine Fülle von Verfahren, die zu diesem Zweck entwickelt
wurden. Wir wollen hier nur die beiden verbreitetsten vorstellen:
- das Facial
Action Code System (FACS) und
- das Elektromyogramm (EMG).
Das
FACS ist ein Verfahren, das den Gesichtsausdruck über äußere
Beobachtung mißt. Beim EMG handelt es sich hingegen
um direkte physiologische Messung. Es geht dem Gesichtsausdruck
sozusagen auf den Grund, indem es die Aktivität der Gesichtsmuskeln
aufzeichnet. Nun zu den Verfahren im einzelnen:
FACS
Das
FACS wurde von Ekman und Friesen 1978 entwickelt. Das Problem solcher
Beobachtungssysteme liegt allgemein darin, daß immer nur das
beobachtet werden kann, was vorher als relevant definiert wurde.
Da das Gesicht sich auf sehr viele Arten verändern kann, muß
der Theoretiker - in diesem Fall Ekman und Friesen - sich vorher
überlegen, welche Gesichtsveränderungen er gezielt
beobachten will. Nur so ist eine hinreichende Intersubjektivität
der Daten zu gewährleisten.
Ekman
und Friesen kamen nun auf 44 Einheiten der Beschreibung, d.h. Beobachter
müssen auf 44 mögliche Veränderungen im Gesicht des
Probanden achten und diese notieren.
Damit ist das FACS vergleichsweise sehr ausführlich. Nicht
nur auf die typisch "emotionalen" Reaktionen (z.B. Zusammenziehen
der Augenbrauchen für Ärger) wird geachtet, sondern es
werden auch alle anderen Veränderungen im Gesicht registriert.
Diese Ausführlichkeit hat natürlich auch Nachteile: Bis
ein Beobachter zuverlässig kodieren kann, muß er ca.
100 Stunden lang trainiert werden. Selbst nach dieser Trainingszeit
gibt es keine perfekte Übereinstimmung zwischen verschiedenen
Beobachtern; im Vergleich zu anderen Verfahren ist aber die Beobachter-Objektivität
relativ gut.
EMG
Wenn
man die Vor- und Nachteile des EMG zusammenfaßt, kann man
sagen: Was sie mißt, mißt sie genau und ökonomisch;
aber sie mißt nicht viel.
Elektromyographie ist - ganz allgemein - das Messen der elektrischen
Aktivität von Muskeln. In unserem Fall sind es die Gesichtsmuskeln,
deren Aktivität wir messen wollen, weil sie für die mimischen
Veränderungen verantwortlich sind.
Beim
EMG werden Elektroden an der Gesichtsoberfläche des Probanden
angebracht. Diese können die Aktivität der unter der Haut
liegenden Muskeln (genauer: die Aktionspotentiale) relativ genau
registrieren. Je mehr von diesen Elektroden im Gesicht des Probanden
"herumhängen", um so mehr wird er sich gestört
fühlen. Daher kann in der Regel nur an einigen wenigen Bereichen
im Gesicht gemessen werden. Ein weiterer Nachteil ist, daß
der Proband seinen Körper kaum bewegen darf, weil die Elektroden
auch auf Bewegung ansprechen. Auch die Gefahr, daß der Proband
den Zweck des Versuchs durchschaut und seinen Ausdruck irgendwie
verändert, ist nicht zu unterschätzen.
Von
Vorteil ist allerdings, daß die Auswertung sehr viel ökonomischer
vor sich geht als beim FACS: Hier sind keine geschulten Beobachter
nötig, die sich einen Gesichtsausdruck genau und mehrmals (auf
Video) ansehen müssen, um zu einem Ergebnis zu kommen - wie
dies beim FACS der Fall ist. Zudem können mit EMG auch Muskelaktivitäten
gemessen werden, die so schwach sind, daß man sie im Gesicht
nicht sieht. Ganz allgemein ist auch die quantitative Genauigkeit
größer, da ja genau gemessen werden kann, wie stark
ein Muskel aktiviert wird.
Zusammenfassung
Die
folgende Tabelle faßt die Vorteile der beiden besprochenen
Verfahren kurz noch einmal zusammen. Die Nachteile ergeben sich
aus den Vorteilen des anderen Verfahrens:
Vorteile
FACS |
Vorteile
EMG |
Ausführlichkeit |
Objektivität |
Flexibilität
in der Anwendung |
Ökonomie |
|
Genauigkeit |
Was
hat das alles aber nun mit Emotionen zu tun? Wie man diese Frage
beantwortet, hängt davon ab, wie man die Beziehung zwischen
Emotion und Ausdruck konzipiert: Sind die Gesichtsbewegungen
ein zuverlässiger, unwillkürlich ablaufender Hinweis auf
Emotionen? Oder haben sie gar nichts mit Emotionen zu tun, sondern
dienen der Person nur zur Kommunikation?
Stimmt man ersterem zu, kann der Gesichtsausdruck in der Forschung
als wertvoller Hinweis auf Emotionen dienen. Stimmt man letzterem
zu, ist die Untersuchung von Gesichtsausdrücken für das
Verständnis von Emotionen keine Hilfe.
Eins steht jedenfalls fest: Mit den beiden Verfahren FACS und EMG
kann die Frage nicht beantwortet werden: Willkürliche und unwillkürliche
mimische Reaktionen sind zwar im Gehirn unterschiedlich repräsentiert,
können jedoch weder anhand der Muskeltätigkeit noch anhand
Beobachtung unterschieden werden.
Die
Frage ist - wer hätte das gedacht - nicht eindeutig zu klären.
Der nächste Abschnitt gibt jedoch einige Hinweise auch zu dieser
Frage.
Überlege dir doch selbst mal, bevor du weiterklickst, in welchen
Situationen du Kontrolle hast über deinen Gesichtsausdruck
und in welchen nicht! Wenn wir sehr verärgert sind, uns aber
dies nicht anmerken lassen wollen, können wir doch wunderbar
lächeln, oder? Andererseits gibt es doch auch Situationen,
da kann man sich ein Grinsen einfach nicht verkneifen! Also was
denn nun?
Vielleicht
bist du nach der Lektüre des nächsten Abschnitts ein wenig
schlauer...
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