Dimensionsanalyse
Wilhelm Wundt,
der Begründer der akademischen Psychologie, war der erste,
der Emotionen anhand verschiedener bipolarer Dimensionen zu ordnen
versuchte. Diese "Hauptgegensätze der Gefühlsqualität",
wie er sie 1910 nannte, sind:
1. "Lust
vs. Unlust"
(ist die
Emotion eher angenehm oder eher unangenehm?)
2. "Erregung
vs. Beruhigung"
(aktiviert
die Emotion zu einer Handlung oder deaktiviert sie eher?)
3. "Spannung
vs. Lösung"
(erhöht oder erniedrigt die Dimension die Aufmerksamkeit?)
Die drei
Dimensionen sind voneinander unabhängig (was ja das Wort
"Dimension" schon impliziert). Emotionen unterscheiden
sich also darin, in welchem Maße sie Lust, Erregung und Spannung
(bzw. die Gegenteile) beinhalten. Graphisch kann man somit alle
Emotionen in einem dreidimensionalen Raum mit orthogonalen Achsen
darstellen.
Weil Wundt seine
Dimensionen größtenteils introspektiv (d.h. durch Selbstbefragung)
gewonnen hatte, wurde sein Modell in der Folgezeit vielfach empirisch
geprüft. Dabei wurden die Versuchspersonen zumeist gebeten,
eine Fülle von Emotionsbezeichnungen miteinander zu vergleichen,
sie anzuordnen, sie zu gruppieren, ihre Ähnlichkeit einzuschätzen
etc. (Auf methodische Details kann hier nicht weiter eingegangen
werden.)
Die meisten Studien kamen nur auf zwei der drei postulierten Dimensionen:
Lust vs. Unlust und Erregung vs. Beruhigung. (Z.T. variiert die
Bennenung der Dimensionen. Entscheidend ist aber nur, was mit diesem
"Label" ausgesagt werden soll.)
Wie gut kann solch ein zweidimensionales Modell differenzieren?
Es enthält ja nur vier Felder (graphisch ausgedrückt),
in denen sich alle Emotionen tummeln sollen: Lust-Erregung, Lust-Beruhigung,
Unlust-Erregung und Unlust-Beruhigung. So liegen z.B. die Emotionen
Angst und Ärger im gleichen Feld (nämlich Unlust-Erregung).
Sind sie sich aber tatsächlich so ähnlich?
Allgemeine methodische
Probleme dieses Ansatzes werden wir im Rahmen des Abschnitts "Klassenbildung"
erörtern, welcher nun folgt...
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