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WS99 Seminarplan Raum und Zeit / Ethnologie und Psychologie

Raum und Zeit aus Sicht von Ethnologie und Psychologie

(gemeinsame Veranstaltung Ethnologie/Psychologie)

Leiter: Prof. Dr. Joachim Funke & Prof. Dr. Jürg Wassmann

Zeit: Mo 11-13

Ort: Psychologisches Institut, Hauptstr. 47-51, ÜR B

Beginn: 25.10.99

 

Veranstaltungsübersicht

Raum und Zeit sind bereits bei Immanuel Kant und später bei Emile Durkheim als die beiden grundlegenden Kategorien menschlicher Erfahrung genannt worden. Das Begreifen von Ausdehnung als Raum und das Erfassen von Dauer als Zeit sind in unserem Alltag allgegenwärtig, miteinander verwoben und kulturell konstruiert.

Die sensorische Wahrnehmung von Zeit scheint einerseits angeboren (obwohl wir bis heute kein echtes Sinnesorgan kennen), andererseits aber stark von der kulturell vorgegebenen Art der Zeitrechnung beeinflußt. In der modernen industriellen Gesellschaft ist Zeit eine Kategorie, die Dauer und Abfolge besitzt, der abstrakte und numerische Qualitäten zugeschrieben werden und die immer mehr auch als Ware verstanden wird ("time is money"; zur sozialen Bedeutung von Zeit vgl. auch Norbert Elias, 1984). Die tickende Uhr, als mechanisches Modell der Welt, drückt Zeit als zurückgelegte Distanz im Raum aus. Diese Auffassung von Zeit wird jener der sog. traditionellen Gesellschaften gegenübergestellt, die folglich eher zyklisch (nach den Jahreszeiten) als abstrakt linear sein soll, eher qualitativ als quantitativ, eher umkehrbar als fortlaufend, eher durch Routine und Alltagstätigkeiten definiert als durch die Uhr - eingefangen in statischen Mythen und Traditionen, nicht verstanden als Motor der Geschichte. Als der Britische Ethnologe Alfred Gell auf einer Wanderung in Papua Neuginea befürchtete, vor Anbruch der Dunkelheit sein Dorf nicht mehr erreichen zu können, beruhigte ihn sein lokaler Begleiter: "He assured me that if we were to walk fast, then the sun would go down correspondingly quickly, whereas if we stuck to our leisurely pace, then he sun would do likewise".

Wir denken jedoch nicht nur zeitlich, sondern auch ausgesprochen räumlich. Raum und Ver-räumlichung ist eine andere grundlegende Konstante unserer Kognition. Sie ermöglichte die Entwicklung der Schrift, der Geometrie, von Diagrammen, Mandalas, Traumzeit-Landschaften; sie macht unterschiedliche Lebensbereiche besser begreifbar, so die Emotionen (himmelhoch jauchzend), Sozialstrukturen (nahe und entfernte Verwandte), Mathematik (tiefe Zahlen), Musik (hohe Töne) und natürlich die Zeit (vor-gestern). Während jedoch bei der Zeit die Andersartigkeit der Konzepte betont wurde, wird bei der Konzeptualisierung von Raum stark von eurozentrischen Modellen ausgegangen: vom Menschen, der aufrecht im Zentrum des Universums steht und von hier aus den ihn umgebenden Raum begreift und in Besitz nimmt.

In diesem interdisziplinären Seminar sollen beide Kategorien näher beleuchtet werden, aus Sicht der psychologischen Grundlagenstudien und aus Sicht der kulturvergleichenden ethnologischen Studien.

Teilnahmebedingungen. Zur Teilnahme an dieser interdisziplinären Veranstaltung sind Studierende der Fächer Ethnologie und Psychologie berechtigt. Wir erwarten von jedem Teilnehmenden aktive Beiträge in Form von Referaten, Stundenprotokollen, Wortbeiträgen, etc. Eine rein rezeptive Teilnahme an der Veranstaltung ist nicht erwünscht.

Scheinerwerb. Im Rahmen der Veranstaltung können von Studierenden der Ethnologie und Psychologie Scheine erworben werden. Für die Ethnologie-Studierenden ist der Erwerb eines Einzelscheins möglich, für Psychologie-Studierende im Hauptfach wahlweise Gruppen- oder Einzelschein. Ein Einzelschein wird auch dann für eine Gruppenarbeit vergeben, wenn Einzelleistungen kenntlich gemacht wurden. Bei einleitenden und abschließenden Teilen ist dies nicht sinnvoll, da diese gemeinsam erstellt werden sollten.

Sonstiges. Einige Informationen zu dieser interdisziplinären Veranstaltung sind auch für das Internet aufbereitet.

Ein Handapparat zu dieser Veranstaltung wird in der Bibliothek des Psychologischen Instituts eingerichtet, in dem die aufgeführten Titel bereitgestellt sind.

Literatur (im Aufbau befindlich)

Zeit:

  • Block, R.A. (Ed.). (1990). Cognitive models of psychological time. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum.
  • Dux, G., Kälble, K. & Meßmer, J. (1989). Die Zeit am Ganges. In G. Dux (Ed.), Die Zeit in der Geschichte. Ihre Entwicklungszeit vom Mythos zur Weltzeit (pp. 407-429). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Elias, N. (1987). Über die Zeit. Arbeiten zur Wissenssoziologie II. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Helfrich, H. (Ed.). (1996). Time and mind. Seattle: Hogrefe & Huber Publishers.
  • Kiesel, B. (1989). Die Entwicklung der Operationalität der Zeit. Eine Nachuntersuchung. In G. Dux (Ed.), Die Zeit in der Geschichte. Ihre Entwicklungszeit vom Mythos zur Weltzeit (pp. 430-459). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Mensing, J.M., Vieira, D. & Peek, A. (1989). Die Zeit am Rio Uneiuxi (Amazonas). In G. Dux (Ed.), Die Zeit in der Geschichte. Ihre Entwicklungszeit vom Mythos zur Weltzeit (pp. 373-406). Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Raum:

  • Levinson, S. (1998). Studying spatial conceptualizations across cultures. Anthropology and cognitive science. Ethos, 26, 7-24.
  • McNamara, T. (1986). Mental representation of spatial relations. Cognitive Psychology, 18, 87-121.
  • Meusburger, P. (Hrsg.) (1997). Anthropogeographie. Interdisziplinäre Grundlagen. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
  • Thorndyke, P.W. & Hayes-Roth, B. (1982). Differences in spatial knowledge acquired from maps and navigation. Cognitive Psychology, 14, 560-589.
  • Wagener-Wender, M. (1993). Mentale Repräsentationen räumlicher Informationen. Bonn: Holos.
  • Wassmann, J. & Dasen, P.R. (1998). Balinese spatial orientation: Some empirical evidence of moderate linguistic relativity. Journal of the Royal Anthropological Institute, 4, 689-711.


Literaturliste Raum und Zeit

Einführungsfolien "Raum und Zeit aus psychologischer Sicht" (1,8 MB PDF-File!)

(aktualisiert am 15.11.99)

Kognitionsforschung aus der Sicht von Ethnologie und Psychologie (WS 98/99)

Literaturliste zur Kognitionsforschung

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Zuletzt bearbeitet am 14.11.2003 von JF.