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Diagnostik und Therapie von Planungsstörungen mit Hilfe von Plan-A-Day

Poster für die 11. Jahrestagung der GNP, Bad Wildungen, 3.-6.10. 1996

Diagnostik und Therapie von Planungsstörungen mit Hilfe von Plan-a-Day

Joachim A. Kohler (Fachklinik Bad Aibling), Thomas Krüger (Universität Bonn) & Joachim Funke (Universität Heidelberg)

Fallbeispiel

Frau P. erlitt im Alter von 33 Jahren etwa zwei Wochen nach der Geburt ihres ersten Kindes am 7.3.1995 einen Verschluß der carotis interna rechts. Der CCT-Befund ergab einen ausgedehnten Parenchymdefekt mit Nachweis der Infarktareale im Versorgungsgebiet der arteria cerebri anterior rechts und im vorderen Bereich der arteria cerebri media rechts. Sie ist verheiratet, hat die mittlere Reife und führt seit 1990 als Selbständige einen kleinen Vertrieb mit 5 Angestellten. Ihr Aufgabengebiet lag vor dem Ereignis in der Kundenakquisition, -betreuung und Buchhaltung.

Nach den subjektiven, kognitiven Beschwerden befragt, wurden spontan Schwierigkeiten in den Bereichen Konzentration und Gedächtnis genannt. Auf Nachfrage wurde die maximale Konzentrationsdauer beim Lesen auf 20 Minuten geschätzt. Weiter gab sie an, leicht ablenkbar zu sein, was allerdings auch schon früher so gewesen sei. Während der Anamnese und in den ersten Diagnostikstunden konnte ein häufiges Gähnen sowie eine deutlich erhöhte externe Ablenkbarkeit auf visuelle Stimuli beobachtet werden.

Neuropsychologische Eingangsuntersuchung

Aufmerksamkeit. Die Überprüfung der einfachen Reaktionsleistungen (tonische alertness) auf einen visuellen Reiz mit der Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) nach Zimmermann und Fimm erbrachte eine unterdurchschnittliche Tempoleistung, eine erhöhte Varianz sowie häufige Auslassungen. Wurde ein antizipierender Warnton dazugegeben (phasische alertness), so verbesserten sich die Leistungen normgerecht. Die Untersuchung zur Reaktionsunterdrückung bei irrelevanten Reizen (Untertest "Go/Nogo" der TAP) war gekennzeichnet durch eine deutlich erhöhte Anzahl an Fehlreaktionen trotz verlangsamter Entscheidungszeit. Eine Aufgabe zur geteilten Aufmerksamkeit (Trailmaking Test Form B nach Reitan) wurde fehlerfrei aber verlangsamt bearbeitet.

Gedächtnis. Die einfachen Orientierungsleistungen (zeitlich-kalendarisch, örtlich-geographisch, situativ und zur Person) sowie das kurzfristige Halten von Informationen (Blockspanne, Zahlenspanne, Wortliste) waren unauffällig. Die unmittelbare und längerfristige (48h) freie Reproduktion eines narrativen Textes gelang ebenfalls durchschnittlich. Auch das Lernen einer komplexeren Wortliste war unproblematisch. Die unmittelbare Reproduktion sank jedoch nach der Darbietung einer Interferenzliste deutlich ab, während die mittelfristige Reproduktion und die Rekognitionleistungen unauffällig waren. Die Überprüfung des Arbeitsgedächtnisses (Zahlenspanne rückwärts, Untertest "Arbeitsgedächtnis" der TAP, Satzspanne nach Daneman & Carpenter) erbrachte dagegen deutliche Minderleistungen.

Allgemeine intellektuelle Leistungen/ Planen/ Problemlösendes Denken. In den durchgeführten Tests zur Intelligenz (LPS Kurzform nach Horn, Standard Progressive Matrizen nach Raven, Untertests "Wortschatz", "Allgemeines Verständnis", "Gemeinsamkeiten", "Bilder ergänzen" und "Bilder ordnen" des HAWIE) ergaben sich akzentuierte Defizite im räumlichen Vorstellungsvermögen (LPS 9), der Kategorisierung (Gemeinsamkeiten finden), der Sequenzierung (Bilder ordnen) sowie der Detailanalyse (Bilder ergänzen). In allen anderen Tests wurden unauffällige Ergebnisse erzielt.

In den Untersuchungen zum divergenten, deduktiven und problemlösenden Denken (Supermarkttest nach Genzel, LPS 6, Wisconsin Card Sorting Test nach Milner/Nelson, Bürotest nach Marschner) zeigten sich eine reduzierte Wortflüssigkeit sowie Schwierigkeiten bei der Strukturierung von komplexer Information.

Die Überprüfung der Planungskompetenz (Labyrinth-Test von Chapuis, Turm von Hanoi, Bogenhausener Planungstest, Plan-a-Day) erbrachte klare Schwierigkeiten beim vorausschauenden Denken (Antizipation), bei der eigenständigen Fehlerkontrolle (monitoring) und bei der Entwicklung von Handlungsalternativen (Fehlerkorrektur).

Therapeutische Maßnahmen

Zur Verbesserung der Aufmerksamkeitsleistungen nahm Frau P. 5 mal wöchentlich an einem computergestützten Aufmerksamkeitstraining in einer Gruppe teil. Hierbei wurden Aufgaben zur Reaktionsgeschwindigkeit, Genauigkeit und Selektivität mit sukzessiver Schwierigkeitssteigerung bearbeitet.

In einer weiteren Übung, die 3 mal wöchentlich stattfand, sollten die Schwierigkeiten im Bereich des problemlösenden Denkens angegangen werden. Dabei wurden Aufgaben zum divergenten, deduktiven und induktiven Denken, zum selektiven Enkodieren und Vergleichen, zur Sequenzierung und zum Planen und Organisieren bearbeitet. In Rollenspielen sollte der Umgang mit alltäglichen Problemsituationen sowie die erfolgreiche Entwicklung von Lösungsstrategien geübt und eine Verbesserung der sozialen Kompetenz erreicht werden.

Der dritte Therapieschwerpunkt war die Verbesserung der allgemeinen Planungskompetenz, wobei hier gezielt die Planungskomponenten "Gesamtüberblick bzw. Problemrepräsentation", "Antizipation" und "Fehlerdiagnostik" therapiert werden sollten. Für diesen Bereich wurde das Computerprogramm Plan-a-Day von Funke und Krüger (1995) verwendet. In 12 einstündigen Einzelsitzungen wurden ihr Aufgabenblöcke aus dem Programm dargeboten, bei denen sie Tagespläne unter einschränkenden Randbedingungen zu erstellen hatte. Wenn ein Aufgabenblock erfolgreich bewältigt war, wurde zum nächst schwierigeren Block übergegangen.

Therapieziele zur Verbesserung der Planungskompetenz mittels Plan-a-Day

Für das funktionelle Training zur Verbesserung der Planungskompetenz wurde mit dem Computerprogramm Plan-a-Day von Funke und Krüger (1995) gearbeitet. Folgende Ziele wurden dabei anvisiert: (a) Verbesserung des Gesamtüberblicks und der Extraktion lösungsrelevanter Parameter; (b) Verbesserung des vorausschauenden Denkens (Antizipation); (c) Verbesserung der selbständigen Fehlerüberwachung (monitoring) und Fehlerkorrektur.

Zur Realisierung dieser einzelnen Ziele wurde folgende Vorgehensweise gewählt:

  • Einsatz externer/interner Stop-Befehle bei vorschnellem Handeln zugunsten einer ausführlicheren Exploration der Ausgangssituation; schriftliche Fixierung aller an der Aufgabe beteiligten Parameter; Strukturierung der lösungsrelevanten Information durch Erstellung von Tabellen.
  • Auswahl eines Lösungsschrittes mit anschließender ausführlicher Analyse der dadurch entstehenden Veränderungen der Gesamtsituation im Hinblick auf die Zielerreichung; danach Auswahl eines alternativen Lösungsschrittes mit wiederholter Analyse und Vergleich der beiden Möglichkeiten.
  • Bei jedem Auftreten der Programmmeldung "zu früh" bzw. "zu spät" schrittweise Rückverfolgung des Lösungsweges, bis die ursächliche Fehlentscheidung identifiziert werden kann; dann Entwicklung eines alternativen Lösungsweges.
  • Bewertung des Therapieverlaufs

    Die Bewertung des Therapieverlaufs erfolgte durch Prä-/Post-Vergleiche mit folgenden Verfahren: Bogenhausener Planungstest (Parallelversionen), Labyrinth-Test von Chapuis, Turm von Hanoi (4 Scheiben, jeweils 5 Durchgänge), Untertest "Arbeitsgedächtnis" der TAP, Satzspanne nach Daneman und Carpenter. Das Rationale für diese Testauswahl wird nachfolgend erläutert.

    Der Bogenhausener Planungstest besteht aus je 5 Auftragskarten und 6 Wegezeitkarten sowie einem vorstrukturierten Lösungsblatt, auf dem die Reihenfolge der zu erledigenden Aufträge und zu jedem Ort die Ankunft- und Weggangszeit einzutragen ist. Diese Konstruktion ermöglicht, durch Verhaltensbeobachtung qualitativ zu erfassen, ob die gesamte Information verwendet wird, läßt relativ leicht ein strukturiertes bzw. chaotisches Vorgehen erkennen und zeigt auf, ob die jeweils zum nächsten Lösungsschritt benötigte Einzelinformation gezielt abgefragt wird. Weiter kann während der Bearbeitung beobachtet werden, wenn Randbedingungen verletzt werden, ob und wann dies bemerkt und entsprechend korrigiert wird. Darüberhinaus gibt es eine Punktwertung des Endergebnisses.

    Der Labyrinth-Test von Chapuis überprüft das visuelle, vorausschauende Denken. Je tiefer in eine Sackgasse gezogen wird, umso mehr Fehlerpunkte werden vergeben. Die Fehlerpunktzahl kann somit als reziprokes Maß für die einfache, visuelle Antizipation aufgefasst werden. Beim Turm von Hanoi gibt die Anzahl der benötigten Züge Auskunft über eine komplexere Form der Antizipation.

    Die Überprüfung des Arbeitsgedächtnisses wurde aus folgenden Überlegungen in die Therapiebewertung mit aufgenommen: Die Fähigkeit, mehrere Informationen parallel halten und verarbeiten zu können, kann als Basiskompetenz verstanden werden, daß überhaupt erst ein monitoring-Prozeß erfolgreich sein kann. Sie gibt jedoch noch keinen Aufschluß darüber, ob ein monitoring selbständig angestoßen wird.

    Ergebnisse

    Testvor der Therapienach der Therapie
    BPTimpulsive, vorschnelle Herangehensweise; nur ansatzweise Verwendung der Strukturierungshilfen; kein Gesamtüberblick, Fokussierung auf Details
    Ergebnis: 0 von 5 Punkten
    leichte Tendenz zu vorschnellem Handeln; vollständige Ausnutzung der Strukturierungshilfen; gute Bewahrung des Gesamtüberblicks bei genauer Detailbearbeitung
    Ergebnis: 5 von 5 Punkten
    LabyFehler: 3 (PR = 10)Fehler: 2,5 (PR = 15)
    TvH37 / 35 / 32 / 40 / 35 Züge20/22/16/17/20 Züge
    AGFehler: 15 (PR < 1); Auslassungen: 6 (PR = 3); Tempo: 1024ms (PR = 4)Fehler: 7 (PR = 8); Auslassungen: 4 (PR = 7); Tempo: 864ms (PR = 7)
    SPRW = 2 (PR < 16)RW = 3 (PR > 16)

    Diskussion

    Generell läßt sich feststellen, daß durch das Planungstraining mit dem Computerprogramm Plan-a-Day sowohl eine in der Verhaltensbeobachtung erkennbare qualitative als auch eine testdiagnostisch erfaßbare quantitative Verbesserung der Planungskompetenz erzielt werden konnte. Am deutlichsten schlägt sich diese Verbesserung im Bogenhausener Planungstest nieder, was sicherlich auch an der Ähnlichkeit des verwendeten Therapiematerials mit dem Test liegt. Dieser Trainingseffekt kann somit als ein Erlernen eines konkreten Verhaltensrepertoires für eine spezifische Aufgabenstellung beschrieben werden. Darüberhinaus stellte sich aber auch ein nicht ganz so stark ausgeprägter Transfereffekt ein, der sich an den deutlich geringeren Zugzahlen beim Turm von Hanoi-Problem und den verbesserten Kennwerten des Arbeitsgedächtnisses (Untertest der TAP, Satzspanne) ablesen läßt. Ähnlich positive Befunde für einen anderen Einzelfall berichten Kohler, Poser und Schönle (1995).

    Es gilt hierbei aber auch zu berücksichtigen, daß das Training mit dem Computerprogramm Plan-a-Day in ein neuropsychologisches Therapiekonzept eingebettet war, bei dem die Patientin zusätzlich ein computergestütztes Aufmerksamkeitstraining und ein gruppenbezogenes Problemlösetraining erhielt. Hierbei diente das Aufmerksamkeitstraining als ein Basistraining für kognitive Fähigkeiten, die die Voraussetzungen für komplexere Prozesse schaffen. Das Problemlösetraining andererseits ermöglicht es, Problemlösesituationen in einem sozialen Kontext möglichst alltagsnah zu erzeugen und die in den Einzelsitzungen und in der Gruppe erlernten, kognitiven Kompetenzen in vivo umzusetzen. Bei den in der Problemlösegruppe durchgeführten Rollenspielen zeigte sich dann auch, daß Frau P. zwar immer noch die Tendenz zu vorschnellem Handeln hatte, daß sie nunmehr aber über das Konzept der Fehlerkontrolle verfügte und sich auch die Zeit nahm, ihre Lösungen am Ende nochmal zu überprüfen, was sie zu Beginn nicht gemacht hatte.

    Literatur

    Funke, J. & Krüger, T. (1995). Plan-a-Day: Konzeption eines modifizierbaren Instruments zur Führungskräfte-Auswahl sowie erste empirische Befunde. In J. Funke & A. Fritz (Eds.), Neue Konzepte und Instrumente zur Planungsdiagnostik (pp. 97-120). Bonn: Deutscher Psychologen Verlag.

    Kohler, J.A., Poser, U. & Schönle, W. (1995). Die Verwendung von Plan-a-Day für die neuropsychologische Diagnostik und Therapie. In J. Funke & A. Fritz (Eds.), Neue Konzepte und Instrumente zur Planungsdiagnostik (pp. 167-181). Bonn: Deutscher Psychologen Verlag.

    Kontakt

    Für Rückfragen zu diesem Poster wenden Sie sich bitte an:

    Dr.Thomas Krüger; Prof. Dr. Joachim Funke: Psychologisches Institut der Universität Heidelberg, Hauptstr. 47-51, D-69117 Heidelberg. Email: krueger@dr-thomas-krueger.de oder joachim.funke@psychologie.uni-heidelberg.de

    Bei Interesse am Einsatz von Plan-A-Day in einem neuropsychologischen Kontext schicken Sie bitte ein kurzes Schreiben an die Autoren des PAD (Funke & Krüger). Für nichtkommerzielle Anwendungen stellen wir die Software PAD kostenlos zur Verfügung.

     
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    Zuletzt bearbeitet am 03.12.2003 von JF.